Haunted [FSK18]
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Haunted [FSK18]
von Alina am 18.06.2022 13:00Hallo. Ich heisse Lina und ihr kennt mich vielleicht schon. Ich habe zwischen 2016 und 2022 die Geschichten des "Zimmermädchens" veröffentlicht, welche auch in diesem Bereich des Forums zu finden sind.
Ich denke schon länger über ein neues Projekt nach. Gerade weiss ich noch nicht wie es aussehen wird, aber ich würde zumindest gern mal einen Versuch wagen ob das Thema Anklang findet, an welches ich immer wieder denken muss.
Zwischen 2012 und 2015 habe ich ein Chat-Rollenspiel gespielt und ich habe mich bei der Geschichte etwas an dem Film "So Finster die Nacht" orientiert, welcher im Film "Let Me In" ein Remake erfuhr.
Nur der Vollständigerkeit halber möchte ich erwähnen, dass sowohl die Geschichten als auch Rollenspiele unter die FSK18 fallen dürften.
"Rollenspielhimmel" bittet um Triggerwarnungen, daher möchte ich diese neue Regel auch hier umsetzen. Grundsätzlich würde ich darum bitten, diese Geschichte nicht zu lesen, wenn man zart besaitet ist.
Im Einzelnen gibt es in dieser Geschichte Darstellung von Gewalt und Tod. Falls Euch beim Lesen eine Triggerwarnung ins Auge springt, die ich hier vergessen habe, bitte schickt mir eine Nachricht und ich werde sie hier hinzufügen.
Im Einzelnen gibt es in dieser Geschichte Darstellung von Gewalt und Tod. Falls Euch beim Lesen eine Triggerwarnung ins Auge springt, die ich hier vergessen habe, bitte schickt mir eine Nachricht und ich werde sie hier hinzufügen.
Quelle des Bildes (bearbeitet von Alina)
Mein Spielpartner hat damals angefangen, unser Spiel in eine Romanform zu giessen*. Und genau diesen Text würde ich gern veröffentlichen um zu sehen, ob er Anklang findet. Falls euch die Idee gefällt, lasst es mich gern via Nachricht wissen. Ich freue mich schon auf euer Feedback.
Schon jetzt bedanke ich mich bei meinem damaligen Spielpartner Malte, mit dem ich unvergessliche Stunden erleben durfte, in einem der intensivsten Spiele die ich bisher erlebt habe. Ihr dürft in einer Fortsetzung dieser Story eine sehr sensible Charakterdarstellung erwarten, genauso wie grausame als auch verzweifelte Szenen. Die Geschichte ist wirklich tragisch und ich versuche mal eine kurze Übersicht zu geben ohne allzuviel zu verraten.
Story:
Unser Protagonist lernt eine andere Mieterin des Plattenbaus kennen in dem er wohnt. Es scheint sich um eine ungewöhnliche junge Frau zu handeln die nicht nur ein Geheimnis hütet. Malte zieht es immer wieder zu dieser Person, scheint sie doch ebenfalls unter der Einsamkeit in der Großstadt zu leiden. Auch sie sucht etwas Gesellschaft, wenn sie doch zunächst einen anderen Eindruck erweckt.
Langsam kommt Malte hinter die fürchterlichen Geheimnisse der jungen Frau, was ihn aber nicht davon abhält sich in sie zu verlieben... mit allen dramatischen Folgen. Die Geschichte spitzt sich auf ein dramatisches Ende zu, ein Schicksal aus dem es scheinbar kein Entrinnen gibt.
"So finster die Nacht - und so schwarz das Blut."
Genres:
Horror / Drama / Mystery / Romanze
*Ich möchte nochmal erwähnen dass nicht ich den folgenden Text geschrieben habe, sondern mein damaliger Spielpartner. Falls ich das Projekt beginne, werde ich aber die gesamte Geschichte schreiben - so wie ihr es auch erwarten dürft.
Entwurf Folge 1
von Alina am 18.06.2022 13:18 Ein kalter und regnerischer Tag im späten Herbst
Die Sonne war schon längst untergegangen, nur wenig Mondlicht durchbrach die Wolkendecke. Der Wind peitschte die Regentropfen in die Gesichter derer, die keinen Unterschlupf vor ihm finden konnten. Dann wurde das Toben des Herbststurmes von dem plötzlichen, schrillen Quietschen der haltenden Straßenbahn durchdrungen. Als sich die Türen öffneten stiegen auch prompt einige Gestalten aus und hetzen in alle Himmels-richtungen, auf der Suche nach Schutz vor der Natur und ihren Launen.
„Guten Abend!" sagte er leise, während er den Schlüssel hervorholte. Ohne den Blick zu heben murmelte sie ein „N'abend" und nachdem die Tür geöffnet worden war huschte sie an ihm vorbei in den etwas schäbig wirkenden Flur des Hauses und betrat das Treppenhaus, ohne den Briefkasten eines Blickes zu würdigen. In allen steckte ein Infobrief der Hausverwaltung, wahrscheinlich wiedermal eine Mieterhöhung.... die zweite in diesem Jahr. Anscheinend hatte sie den nicht wahr genommen, dachte er sich und als er sie darauf, kurz bevor sie um die Ecke verschwand, ansprach und ihr anbot den Brief für sie mitzubringen, wirkte sie im ersten Moment etwas überrascht, dann bedankte sie sich und nahm ihn entgegen. Schweigend stiegen sie die Treppen hinauf, kurz bevor Malte zu seiner Wohnung abbiegen wollte, blieb sie kurz stehen und schaute ihn an.
„Wissen Sie, wo die Stromkästen in den Fluren sind?" Kurz hielt er inne und schaute zu ihr auf, dann antwortete er:
"Klar, soll ich dir das schnell zeigen?" Die Verwirrung über die etwas seltsam anmutende Frage ließ er sich nicht anmerken, zumindest versuchte er sie weitesgehend zu verbergen. Sie nickte nur und dann gingen sie weiterhin schweigend die Treppen noch zwei weitere Stockwerke hinauf. Sie schaute sich kurz um und stieß eine scheinbar nicht abgeschlossene Tür auf und wurde von der Dunkelheit des dahinter befindlichen Raumes fast sofort verschluckt. Er folgte ihr und tastete die Wand nach einem Lichtschalter ab, doch ehe er einen finden konnte, zeichneten sich ihre Schemen in dem dunklen Gang ab, dann hörte er neben sich die Stimme der jungen Frau: "Geht nicht mehr." Daraufhin gab er die mit dem neuen Wissen ohnehin unnütze Suche nach dem Schalter auf und tastete sich an der Wand entlang. Fast augenblicklich verschwand sie in der tiefen Dunkelheit des Raumes. Scheinbar aus einem anderen Raum hörte er die Stimme erneut.
"Hab' ein Feuerzeug". Sie schien sich im Dunkeln sehr sicher und zielstrebig bewegen zu können.
"Kannst du es kurz anmachen? Ich habe dich aus den Augen verloren." fragte er mit einem süffisanten Unterton. Es gab ein leises Zischen und am Ende des Ganges leuchtete eine kleine Flamme auf. Ein beklemmendes Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit, die ganze Situation war ihm nicht geheuer.
„Ich habe schon gedacht, die Dunkelheit hätte dich verschluckt!"
Sie ging sie nicht weiter auf seinen Kommentar ein.
„Es ist schwer im Dunkeln die Tür aufzuschließen...." Die Stimme erschien vollkommen ausdruckslos, dann schaute sie ihn wartend an, woraufhin er an ihr vorbeiging, zu dem Sicherungskasten, an der rechten Wand des Nebenraumes. Er klopfte kurz dagegen... so dass es ein metallisches Pochen gab. „Da wären wir."
Sofort machte sie einen Schritt auf ihn zu und leuchtete ihm. „Können Sie das Licht vielleicht wieder einschalten, bitte?" In ihrem Gesicht zeichnete sich Hilflosigkeit, gepaart mit Unbehagen ab.
„Das sollte ich hinbekommen. Darf ich einmal kurz das Feuerzeug haben?"
Sie quittierte die Frage mit einem kurzen Nicken, dann wurden sie beide sofort wieder von Finsternis umfangen. Es dauerte nicht lange, dann spürte er einen leichten Druck auf seiner Brust und als er an die Stelle griff, spürte er zuerst die Hand der jungen Frau, deren feingliedrige Finger noch immer das Feuerzeug umfassten. Als er ihre Haut berührte, zuckte sie kurz zusammen, dann nahm er ihr das Feuerzeug aus der Hand. Wenige Augenblicke später wurde der schlichte Raum von dem flackernden Licht des Feuerzeugs erhellt. Es dauerte nicht lange, bis ein Schalter der Sicherung umgelegt war und mit einem lauten Klacken das Licht der Deckenlampe das Zimmer füllte. Mit einem freundlichen Lächeln stand die junge Frau an dem Lichtschalter und mit der Dunkelheit schien auch die unheimliche Atmosphäre verschwunden.
„Vielen Dank für Ihre Hilfe." Im warmen Licht der Deckenlampe schienen ihre roten Haare hell zu leuchten und bildeten einen sehr schönen Kontrast zu ihrer schlichten, herbstfarbenden Kleidung und ihrem fast komplett farblosen Teint. „Nichts zu danken." Er streckte seine Hand aus. „Vergiss dein Feuerzeug nicht!". Als sie es ihm aus der Hand nahm, zierte erneut der Anflug eines Lächelns ihr Gesicht, dann nickte sie noch einmal dankbar und öffnete ihre Wohnungstür.
„Hab' noch einen schönen Abend!"
Noch einmal wandte sie ihren Blick zurück. „Danke, wünsche ich Ihnen auch."
Bevor die Tür sich wieder schloss, konnte er noch einen kurzen Blick in die triste, voll-kommen unmöblierte Wohnung werfen. Danach machte er sich auf den Weg in seine eigenen vier Wände. Erschöpft von der Arbeit ließ er seine Tasche im Flur stehen, hing den Mantel an der Garderobe auf, schlüpfte aus den Schuhen und ging in die Küche, um sich dort einen Tee zu machen. Während das Teewasser zu kochen begann, fuhr er sich mit einer Hand durchs Haar und murmelte „Was für ein Tag.", dann goss er das kochende Wasser in seine Tasse, in der bereits ein Beutel Schwarztee hing, nahm sie und setzte sich im Wohnzimmer vor den Fernseher. Es dauerte nicht lang, bis ihm die Augen zufielen und er langsam wegdöste. Als der Nachrichtensprecher über einen Mord berichtete, der in dieser Woche im Park begangen worden war, horchte er noch kurz auf, aber als danach ein Film begann, driftete er endgültig in das Reich der Träume ab...
Leseprobe
von Alina am 19.06.2022 11:45Ich möchte noch eine kleine Leseprobe veröffentlichen, eine Art Teaser von 2012 mit der ich einen Rollenspielpartner gesucht habe. Der Teaser ist aufregender als der Entwurf der ersten Folge und somit auch aussagekräftiger.
Viel Freude beim Lesen.
Es ist tiefe Nacht, es ist kalt und der Himmel ist sternenklar. Wer sich jetzt noch draussen herumtreibt, hat wohl keinen Platz mehr gefunden wo er unterschlüpfen könnte. Die Silhouetten der Hochhäuser zeichnen sich vor dem hellen Mondlicht ab. Der Park ist menschenleer, nur der Müll zeugt davon, dass sich hier wohl ab und zu Menschen aufhalten.
Eine kleine, dünne Gestalt schleppt sich durch das Gras, immer wieder halten Büsche und Sträucher sie davon ab, schneller voranzukommen. Vereinzelt stehen auch Laubbäume herum, die aber um diese Jahreszeit schon fast alle Blätter abgeworfen haben. Die Gestalt drückt sich vorsichtig und leise an einem hochgewachsenen Strauch vorbei. Nur leichte weibliche Rundungen lassen vermuten, dass es sich um ein Mädchen handeln muss. Eine ungezähmte Fahne aus langen Haaren flattert im kalten Wind, Strähnen schlagen dem Mädchen immer wieder ins eigene Gesicht. Sie muss gegen den Wind ankämpfen, wenn er ihr direkt ins Gesicht bläst, so schwach scheint sie zu sein.
Sie bleibt stehen, atmet schwer und späht in die Dunkelheit. Nichts zu erkennen, nur Dunkelheit und noch dunklere Schatten die das Mondlicht wirft. Dann schleicht sie weiter, wie ein Raubtier welches irgendwie in der Tiefe der Finsternis doch noch eine Beute entdeckt hat. Sie geht gebückt durch das kniehohe Gras. Dort, einige Meter entfernt, steht eine Bank und darauf liegt jemand. Sie kommt näher und kann im Schein des Mondes einen hellgrauen Schlafsack entdecken, in den sich der Unglückliche eingerollt hat. Sie hört ein lautes und unregelmäßiges Schnarchen, eine leere Flasche Wein steht neben der Bank. Als sie das sieht, verzieht sie das Gesicht und schüttelt sich als würde sie sich ekeln. Aber ihre Augen glühen vor Verlangen, der Hunger ist unerträglich geworden, die letzten Wochen hat sie nur überlebt, weil sie ihren Hunger mit minderwertigem Blut von Tieren des Waldes gestillt hat. Doch jetzt muss es endlich soweit sein, und sei dieses Blut auch noch so widerwärtig – es ist besser, als weiter zu darben.
Sie schleicht sich leise an die Bank heran, begutachtet den Schlafenden. Er scheint doppelt so schwer wie sie zu sein und mindestens zwei Köpfe grösser. Es muss schnell gehen, er darf nicht aufwachen, er darf sich nicht mehr wehren. Das ist nicht leicht wenn man kraftlos und ausgehungert ist. Sie legt ganz langsam ihre kleinen und schlanken Hände auf den Saum des Schlafsacks. Ihre Hände berühren den langen Bart des Mannes auf der Bank. Sie zögert einen Moment, weiss sie doch, dass dieser Mann genauso bedauernswert ist wie sie selbst. So sehr ihr auch immer wieder eingetrichtert wurde dass es sich ausnahmslos um Beute handelt, so schwer fällt es ihr dies zu akzeptieren. Genau genommen ist das erst ihr zweites Opfer, das erste fiel ihr in die Hände wie ein Geschenk des Himmels... ein Mann, der bewusstlos im Wald lag als sie gerade ihren Hunger mit Tierblut stillen wollte weil sie sich keinen Rat mehr wusste. Er war wohl ausgeraubt worden, er blutete aus einer Kopfwunde. Selbst wenn sie satt gewesen wäre, wäre es unmöglich gewesen, an diesem Schmaus vorbeizugehen. Das frische Blut konnte sie schon mehrere Dutzend Meter vorher wittern. Sie stürzte sich regelrecht darauf, der Mann wurde nicht mehr wach. Doch hier liegt der Fall anders. Die Beute lebt noch, auch wenn sie wohl zumindest betäubt ist. Ihr Vater fand meistens Menschen welche sich ebenso betäubt hatten, mit Alkohol wie er sagte. Und wirklich schmeckte das Blut anders, nicht so intensiv, irgendwie chemisch und nachdem sie ihren Hunger gestillt hatte, wurde ihr übel und schwindelig und sie verfluchte ihren Vater, dass er wieder nichts Gutes zum Essen gefunden hatte.
Sie zittert als sie ihre kleinen Hände um den Hals der Beute legen. Vater hatte ihr oft genug gezeigt wie es geht. Bevor man anfangen durfte zu trinken sollte man sicher sein, dass keine Gegenwehr mehr zu erwarten war. Vater hatte grosse, schwielige Hände, er fasste mühelos um den Hals der Beute, drückte zu, bewegte seine Hände ruckartig und dann knackte auch schon das Genick, ein Geräusch, bei der ihr jedes Mal ein Schauer über den Rücken lief. Sie atmet tief durch, ihr Griff wird noch fester und dann nimmt sie alle Kraft zusammen und dreht ihre Hände, so wie sie es beim Vater gesehen hatte. Doch statt eines Knackens hört sie ein überraschtes Brummen, ein Stöhnen und der Mann richtet sich schlagartig auf. Erschrocken lässt sie los und ehe sie sich versieht, verliert sie das Gleichgewicht und sitzt plötzlich auf dem Hintern. Der Mann springt auf und flucht laut. Panikartig springt sie auf und läuft los, verfolgt von dem wütenden Mann der wohl davon ausgeht bestohlen worden zu sein. Sie bringt einige Meter zwischen sich und die wütende Stimme, dann explodiert etwas in ihrem Kopf, so fühlt es sich jedenfalls an. Aus den Augenwinkeln sieht sie die leere Weinflasche an ihrem Kopf vorbeifliegen, sie dreht sich mehrere Male um die eigene Achse, bevor sie im Gras landet. Das Mädchen läuft weiter, stolpert mehr als das sie läuft. Schwindel, Schmerz, Angst und Panik sind allgegenwärtig, doch sie treibt sich vorwärts. Die böse Stimme in ihrem Rücken wird immer leiser und leiser... erst als sie sie gar nicht mehr hört, lässt sie sich erschöpft ins Gras fallen und bleibt schwer atmend liegen. Hinter diesem Busch wird man sie so schnell nicht entdecken, jedenfalls nicht bevor es hell ist. Hell! Es war schon spät als sie losgegangen ist, der nächste Tag ist sicherlich nicht mehr fern... sie muss hier weg und zwar schnell – das sind ihre letzten Gedanken bevor sie bewusstlos wird.
Eine kleine, dünne Gestalt schleppt sich durch das Gras, immer wieder halten Büsche und Sträucher sie davon ab, schneller voranzukommen. Vereinzelt stehen auch Laubbäume herum, die aber um diese Jahreszeit schon fast alle Blätter abgeworfen haben. Die Gestalt drückt sich vorsichtig und leise an einem hochgewachsenen Strauch vorbei. Nur leichte weibliche Rundungen lassen vermuten, dass es sich um ein Mädchen handeln muss. Eine ungezähmte Fahne aus langen Haaren flattert im kalten Wind, Strähnen schlagen dem Mädchen immer wieder ins eigene Gesicht. Sie muss gegen den Wind ankämpfen, wenn er ihr direkt ins Gesicht bläst, so schwach scheint sie zu sein.
Sie bleibt stehen, atmet schwer und späht in die Dunkelheit. Nichts zu erkennen, nur Dunkelheit und noch dunklere Schatten die das Mondlicht wirft. Dann schleicht sie weiter, wie ein Raubtier welches irgendwie in der Tiefe der Finsternis doch noch eine Beute entdeckt hat. Sie geht gebückt durch das kniehohe Gras. Dort, einige Meter entfernt, steht eine Bank und darauf liegt jemand. Sie kommt näher und kann im Schein des Mondes einen hellgrauen Schlafsack entdecken, in den sich der Unglückliche eingerollt hat. Sie hört ein lautes und unregelmäßiges Schnarchen, eine leere Flasche Wein steht neben der Bank. Als sie das sieht, verzieht sie das Gesicht und schüttelt sich als würde sie sich ekeln. Aber ihre Augen glühen vor Verlangen, der Hunger ist unerträglich geworden, die letzten Wochen hat sie nur überlebt, weil sie ihren Hunger mit minderwertigem Blut von Tieren des Waldes gestillt hat. Doch jetzt muss es endlich soweit sein, und sei dieses Blut auch noch so widerwärtig – es ist besser, als weiter zu darben.
Sie schleicht sich leise an die Bank heran, begutachtet den Schlafenden. Er scheint doppelt so schwer wie sie zu sein und mindestens zwei Köpfe grösser. Es muss schnell gehen, er darf nicht aufwachen, er darf sich nicht mehr wehren. Das ist nicht leicht wenn man kraftlos und ausgehungert ist. Sie legt ganz langsam ihre kleinen und schlanken Hände auf den Saum des Schlafsacks. Ihre Hände berühren den langen Bart des Mannes auf der Bank. Sie zögert einen Moment, weiss sie doch, dass dieser Mann genauso bedauernswert ist wie sie selbst. So sehr ihr auch immer wieder eingetrichtert wurde dass es sich ausnahmslos um Beute handelt, so schwer fällt es ihr dies zu akzeptieren. Genau genommen ist das erst ihr zweites Opfer, das erste fiel ihr in die Hände wie ein Geschenk des Himmels... ein Mann, der bewusstlos im Wald lag als sie gerade ihren Hunger mit Tierblut stillen wollte weil sie sich keinen Rat mehr wusste. Er war wohl ausgeraubt worden, er blutete aus einer Kopfwunde. Selbst wenn sie satt gewesen wäre, wäre es unmöglich gewesen, an diesem Schmaus vorbeizugehen. Das frische Blut konnte sie schon mehrere Dutzend Meter vorher wittern. Sie stürzte sich regelrecht darauf, der Mann wurde nicht mehr wach. Doch hier liegt der Fall anders. Die Beute lebt noch, auch wenn sie wohl zumindest betäubt ist. Ihr Vater fand meistens Menschen welche sich ebenso betäubt hatten, mit Alkohol wie er sagte. Und wirklich schmeckte das Blut anders, nicht so intensiv, irgendwie chemisch und nachdem sie ihren Hunger gestillt hatte, wurde ihr übel und schwindelig und sie verfluchte ihren Vater, dass er wieder nichts Gutes zum Essen gefunden hatte.
Sie zittert als sie ihre kleinen Hände um den Hals der Beute legen. Vater hatte ihr oft genug gezeigt wie es geht. Bevor man anfangen durfte zu trinken sollte man sicher sein, dass keine Gegenwehr mehr zu erwarten war. Vater hatte grosse, schwielige Hände, er fasste mühelos um den Hals der Beute, drückte zu, bewegte seine Hände ruckartig und dann knackte auch schon das Genick, ein Geräusch, bei der ihr jedes Mal ein Schauer über den Rücken lief. Sie atmet tief durch, ihr Griff wird noch fester und dann nimmt sie alle Kraft zusammen und dreht ihre Hände, so wie sie es beim Vater gesehen hatte. Doch statt eines Knackens hört sie ein überraschtes Brummen, ein Stöhnen und der Mann richtet sich schlagartig auf. Erschrocken lässt sie los und ehe sie sich versieht, verliert sie das Gleichgewicht und sitzt plötzlich auf dem Hintern. Der Mann springt auf und flucht laut. Panikartig springt sie auf und läuft los, verfolgt von dem wütenden Mann der wohl davon ausgeht bestohlen worden zu sein. Sie bringt einige Meter zwischen sich und die wütende Stimme, dann explodiert etwas in ihrem Kopf, so fühlt es sich jedenfalls an. Aus den Augenwinkeln sieht sie die leere Weinflasche an ihrem Kopf vorbeifliegen, sie dreht sich mehrere Male um die eigene Achse, bevor sie im Gras landet. Das Mädchen läuft weiter, stolpert mehr als das sie läuft. Schwindel, Schmerz, Angst und Panik sind allgegenwärtig, doch sie treibt sich vorwärts. Die böse Stimme in ihrem Rücken wird immer leiser und leiser... erst als sie sie gar nicht mehr hört, lässt sie sich erschöpft ins Gras fallen und bleibt schwer atmend liegen. Hinter diesem Busch wird man sie so schnell nicht entdecken, jedenfalls nicht bevor es hell ist. Hell! Es war schon spät als sie losgegangen ist, der nächste Tag ist sicherlich nicht mehr fern... sie muss hier weg und zwar schnell – das sind ihre letzten Gedanken bevor sie bewusstlos wird.