Das Zimmermädchen [FSK18]
Erste Seite | « | 1 ... 15 | 16 | 17 | 18 | » | Letzte
[ Nach unten | Zum letzten Beitrag | Thema abonnieren | Neueste Beiträge zuerst ]
Kapitel 11 - Zurück in New York
von Alina am 29.03.2022 12:44Federal Medical Center, Lexington HSU
3301 Leestown Road, Lexington, Kentucky, USA
Thursday, March 22, 2001
Soundtrack für diese Episode: U2 - Stuck In A Moment You Can't Get Out Of
Quelle des Bildes
Draussen kündigt sich der Frühling mit ganzer Macht an. Kentucky ist schön um diese Jahreszeit und das hatte dem Südstaat den Beinamen "Bluegrass State" eingebracht.
Kentucky war nicht gerade das industrielle oder kulturelle Zentrum der USA. Am Samstag hatten die Wildcats die Hawkeyes besiegt. Nun war das heimische College-Basketballteam weiter, während die Gegner aus Iowa im Viertelfinale ausgeschieden waren. Das waren Dinge, die die Menschen hier umtrieben.
Weltpolitisch glich sich die Lage wieder langsam an die Zeiten des Kalten Krieges an. Vorbei schien die Zeit wo die Vereinigten Staaten und die neue russische Föderation aufeinander zugegangen waren. Die ersten Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion waren geprägt von beiderseitiger Abrüstung und dem wirtschaftlichen Engagement von US-Unternehmen in Russland. Auch die Präsidenten hatten sich geändert – waren es vorher Clinton und Jelzin, so waren es jetzt Bush Junior und Putin.
Am heutigen Tag hatten die Beziehungen zwischen Russland und den USA einen neuen Tiefpunkt erreicht. Man wiess gegenseitig Diplomaten aus nachdem russische Auslandsvertreter der Spionage verdächtigt wurden. Diese Mitarbeiter sollen mit dem FBI-Agenten Hanssen zusammengearbeitet haben, der im Verdacht stand für Russland spioniert zu haben.
Während sich die Welt weiterdrehte, stand sie für Cathy still. Achteinhalb Jahre waren vergangen nachdem sie am Washington Dulles International Airport gelandet war. Und trotzdem wusste sie nichts von den blaugrünen Weiden draussen, sie wusste nicht einmal dass Frühling war. Sie wusste nichts vom Abkühlen der Beziehungen zwischen Russland und den USA und sie kannte auch den aktuellen US-Präsidenten nicht. Sie wusste überhaupt nichts denn niemand redete mit ihr.
Sie sitzt ganz ruhig auf einem Stuhl während sie an die Wand starrt. Es gibt keine Bücher, keine Zeitungen, nicht mal Papier. Es gibt keinen Fernseher und es gibt kein Radiogerät. Es gibt zwar einmal am Tag Ausgang aber dort trifft sie niemals andere Gefangene. Und sie sieht auch niemals die Sonne.
Die Isolationshaft hatte ihr wohl stark zugesetzt aber sie war nicht daran zerbrochen. Sie ging davon aus dass sie einen ganz besonderen Status besass. Sie konnte sich nicht vorstellen dass sie ganz allein in dieser Einrichtung war, aber sicher gab es nicht viele Gefangenen hier. Es war sonst unmöglich alle so getrennt voneinander zu halten – es sei denn diese Einrichung wäre riesengross.
Tatsächlich war die Einrichtung nicht riesengross, es handelte sich um eine spezielle Einrichtung, gelegen unter der Lexingtoner Klinik, im Jahre 1986 eröffnet aber bereits schon 1988 wieder geschlossen wegen der Verletzung von Menschenrechten. Der unterirdische Komplex beherbergte 16 Isolierzellen die aber auch damals niemals vollständig besetzt waren. Tatsächlich gab es gerade nur eine einzige Gefangene und das war Catherin Hasselmann.
Zimmermann hatte den Sommer im Jahre 1992 genutzt um alles vorzubereiten. Natürlich hatte er nicht wissen können dass er wenige Monate später tatsächlich eine Festnahme durchführen würde – es war sogar ziemlich unwahrscheinlich dass es sich um die wahre Catherine Hasselmann handeln würde. Selbst heute war das noch alles andere als klar. Aber er hatte sich natürlich schon die Frage gestellt was passieren würde wenn man ihrer habhaft werden könnte. Ein Prozess der dann ganz sicher verlorenging, weil der Richter und die Geschworenen während des Prozesses laut lachen würden? Wem sollte man die Geschichte von einer Massenmörderin erzählen die vor achtzig Jahren angefangen hatte zu morden und die noch immer aussah wie Anfang Zwanzig?
Zimmermann hatte keine andere Möglichkeit gesehen als mit dem Direktor des FBI, William Sessions, eine alternative Strategie zu diskutieren. Und dieser wiederum hatte den Präsidenten kontaktiert und Zimmermanns Fragestellung dort thematisiert. Danach wussten alle was zu tun war.
Eine alte Einrichtung wie die Lexingtoner High Security Unit und ein noch älteres Programm zur Abwehr von innerstaatlichen Gefahren, nämlich das COINTELPRO Programm, wurden reaktiviert und eigens für Cathy angepasst und in Bereitschaft versetzt.
Die Zahl der Mitwisser war auf ein absolutes Minimum begrenzt. Auf administrativer Ebene wussten nur der Präsident, der Direktor des FBI und Zimmermann davon. Natürlich gab es noch Mitwisser auf operativer Ebene aber Zimmermann hatte sich einige wenige, sehr loyale Mitarbeiter gesichert. Natürlich verursachte die Cathys Haft hohe Kosten die auch ärgerlich waren – immerhin musste ein kleines, unterirdisches Gefängnis betrieben werden um nur eine einzige Person zu bewachen. Aber man versprach sich davon vielleicht eine grosse Entdeckung. Immerhin hatte man die Gelegenheit ein eventuell übernatürliches Wesen zu untersuchen. Aus Sicht der Wissenschaft klang das natürlich lächerlich. Aber die bundesweite Fahndung über 50 Jahre hinweg war nicht lächerlich sondern äusserst real. Und dieser Sache wollte man – nein, musste man auf den Grund gehen.
Kapitel 11 - Episode 2
von Alina am 30.03.2022 10:26Federal Medical Center, Lexington HSU
3301 Leestown Road, Lexington, Kentucky, USA
Thursday, March 22, 2001
Soundtrack für diese Episode: Destiny's Child - Survivor
Quelle des Bildes
Man hatte in all den Jahren eine Menge Unsinn mit ihr veranstaltet. Es hatten jede Menge Untersuchungen und Tests stattgefunden um ihre physische und psychische Verfassung genau zu untersuchen und zu dokumentieren und zwar über einen langen Zeitraum hinweg. Cathy wusste nichts über die Ergebnisse aber sie mussten wohl unbefriedigend sein. Während der Untersuchungen sprach man nicht mit ihr; einzig und allein bei den psychologischen Tests stellte man ihr auf knappe und monotone Art Fragen. Cathys Widerstand war maximal – sie lehnte beinahe jede Art der Kooperation ab. Auch Folter jeder erdenklicher Art hatte daran nichts ändern können. Konkrete Fragen nach Opferzahlen, Prozeduren bei den Morden und Tatorten beantwortete sie niemals. Es hatte sich nur diese eine kleine Art und Weise der Kooperation entwickelt, indem Cathy stumpf auf die monotonen Fragen antwortete die man ihr stellte. Sie waren nicht konkret und liessen sich nur mit "Ja" oder "Nein" beantworten. Anfangs hatten die Fragen anders ausgesehen, aber Cathys eisiges Schweigen hatte wohl dafür gesorgt dass sie ihre Strategie geändert hatten.
Schlafentzug, Nahrungsentzug, Einschüchterungen und Drohungen jedweder Art, Dunkelhaft, Elektroschocks und natürlich die immerwährende Isolation, die nicht mal als Folter zählte sondern die eine Folge der Haftbedingungen war: nichts davon hatte Cathy bisher brechen können. Sie wusste dass das nicht mit rechten Dingen zuging und sie wussten es wahrscheinlich auch. Mit anderen Foltermethoden hatten sie sich bisher zurückgehalten, man hatte sie nur selten geschlagen und ansonsten physisch nicht malträtiert. Wahrscheinlich war sie "zu wertvoll" um auf diese Weise zerstört zu werden. Aber es ging nicht mit rechten Dingen zu dass sie all dies so unbeschadet überstand. Nach diesen achteinhalb Jahren hatte Cathy absolute Klarheit darüber, was die Stimmen in ihrem Kopf zu einer Isolation sagten die nicht selbstgewählt war.
Die Brig auf dem Schiff war schlimm gewesen, aber hin und wieder hatte jemand mit ihr geredet. Ausserdem war die Untersuchungshaft dort doch zeitlich recht begrenzt gewesen, einige Monate wenn sie sich recht entsann. Bautzen II war schon ein anderes Kaliber gewesen aber auch hier sprach man hin und wieder mit ihr. Man befragte sie nicht, aber das ein oder andere Wort fiel bei der Essensausgabe oder wenn sie etwas brauchte. Auch dort hatte Cathy schon ihre extrem hohe Resilienz gespürt. Obwohl sie Privatsphäre sehr schätzte, so war sie doch ein sozialer Mensch und liebte es mit anderen Menschen zu reden. Aber in Bautzen hatte sie gespürt dass die Stimmen da waren um sie vor dem Wahnsinn zu beschützen, den eine Isolationshaft mit sich bringen musste.
Erstens hatten die Stimmen nichts mehr gefordert. Da war kein Ruf nach neuen Opfern dem Cathy ohnehin nicht hätte folgen können. Sie hatte Angst gehabt dass die Stimmen vielleicht auf eine solche Situation keine Rücksicht nehmen würden und sie erst recht in den Wahnsinn treiben würden. Nichts dergleichen geschah – im Gegenteil. Die Stimmen schienen sie aufzumuntern, zu umschmeicheln, ihr Mut zuzusprechen. In ihrem Träumen fühlte sie sich aufgehoben, beschützt, gar geliebt. Sie war nach wie vor ein Werkzeug welches höchstens in den Ruhezustand versetzt worden war. Aufgeben taten sie die Stimmen nicht, weder nach dreieinhalb Jahren Bautzen noch nach achteinhalb Jahren Haft in einem Hochsicherheitsgefängnis Kentuckys.
Ihr war ebenfalls klar, dass sie nun eine Person war die nicht mehr existierte. Kein Gericht, kein Anwalt, keine Menschenrechtsorganisation hatte von ihr erfahren und es war nicht davon auszugehen dass sich das jetzt noch änderte. Sie war zum Eigentum der Vereinigten Staaten von Amerika geworden, ein Versuchsobjekt und ausserdem eine Tatverdächtige für Morde in 2.500 Fällen. Dies war natürlich eine rein statistische Zahl, hochgerechnet von Zimmermann, basierend auf den Ermittlungsergebnissen von Interpol.
Und Interpol – das war ihr das allergrösste Rätsel. Es bestanden ganz sicher beste Beziehungen zwischen dem FBI und Interpol. Trotzdem war dieser Mr. Hill niemals aufgetaucht. Ob er sie durch eine Scheibe sehen konnte? Wollte er denn niemals mit ihr reden? Das konnte und wollte sie seit all diesen Jahren nicht glauben. Er war ihr bisher leidenschaftlichster Kontrahent gewesen.
Zimmermann jedoch wollte mit ihr reden, er versuchte es immer wieder einmal, grob geschätzt einmal pro Jahr. Aber noch nie hatte sie ihm geantwortet. Sie hatte nicht gelächelt und ihn nicht wütend angeblickt. Sie hatte keine Schwäche gezeigt. All diese Fehler waren ihr nur während der Verhaftungen passiert, bei diesem blutleeren Bürokraten in Ost-Berlin oder während des Transports in die USA vor achteinhalb Jahren. Aber dann hatten kurz darauf die Stimmen übernommen, so kam es ihr vor. Cathy war eiskalt. Weder Demütigungen, noch Drohungen und Deprivationen entlockten ihr irgendeine Reaktion. Sie schmunzelte nicht, sie sah nicht verängstigt aus. Es passierte gar nichts. Und das musste auf Dauer unbefriedigend sein für Zimmermann.
Niemand würde gegen die Stimmen in ihrem Kopf ankommen. Cathy hatte Zeit und sie war auch während der Haft nicht gealtert. Dies musste schon aufgefallen sein in den über hundert Monaten Haft. Diese Stimmen liebten ihr Werkzeug und das bedeutete wohl dass Cathy auf ein Erdbeben, einen Krieg oder einen Systemwechsel warten konnte – zehn, zwanzig oder fünfzig Jahre lang. Und dann würde sie weitermachen als wäre nichts geschehen.
Kapitel 11 - Episode 3
von Alina am 31.03.2022 11:56Federal Medical Center, Lexington HSU
3301 Leestown Road, Lexington, Kentucky, USA
Thursday, March 22, 2001
Soundtrack für diese Episode: Staind - Its Been A While
Quelle des Bildes (bearbeitet von Alina)
Ein Mann erscheint an Cathys Tür. Man kann den Sprecher nicht sehen, seine Stimme klingt etwas dumpf.
"Gefangenen-Nummer: nicht vergeben. Laufende Nummer 8. Sie bekommen heute Besuch von Mr. Zimmermann, FBI. T minus 60 Minuten."
Dann folgt ein metallisches Klappgeräusch und Cathy ist wieder allein. Sie seufzt. Warum lassen diese Idioten sie nicht einfach in Ruhe?
Der Raum ist klein und ausserdem komplett in Weiss gehalten. Alles ist schneeweiss und spiegelt das grelle Neonlicht wider. Allein das konnte einen Menschen bereits in den Wahnsinn treiben. Die Luft steht im Raum, Cathy ist allein in völliger Stille – wenn man vom Summen des Neonlichts absieht. Cathy ist sicher dass dieses helle Brummen für alle Zeiten in ihren Ohren nachhallen wird.
Sie trägt beigefarbene Kleidung, ein kurzärmliges Hemd, einen Hosenrock und Plastikpantoffeln. Sie sieht aus wie die Patientin einer Psychiatrie und nicht wie eine Gefangene.
Sie wäscht sich und setzt sich wieder. Sie atmet einige Male tief ein und wieder aus. Sie verbrachte Stunden mit Meditation, konzentrierte sich nur auf ihre Atmung – das half enorm dabei, den Raum und die Tatsache auszublenden dass sie hier nie mehr herauskommen würde. Allein die Vorstellung liess sie erschaudern: nie mehr hier herauskommen! Falls das wirklich stimmen sollte, war Sterblichkeit dann nicht eine Gnade?
Wieder wird die Klappe aufgeschoben.
"T minus eine Minute. Bereitmachen!"
Cathy steht auf und stellt sich mit dem Rücken zur Tür. Genau sechzig Sekunden später öffnet sich die Türe, Cathys Hände werden auf dem Rücken mit Handschellen gefesselt und ihre Füsse werden ebenfalls mit einer Kette zusammengebunden. Sie kann nun nicht mehr laufen sondern nur noch kleine Schritte machen.
Der Gang durch den schneeweissen Korridor ähnelt wieder den vorherigen Gängen, nicht eine andere Person sieht Cathy auf dem Weg ins Besuchszimmer welches eher einem Verhörraum gleicht. Es gibt sogar den grossen Spiegel, bei dem Cathy sicher ist dass auf der anderen Seite alles mitangesehen werden kann. Sie setzt sich, ihre Füsse bleiben zusammengekettet. Die Handschellen werden gelöst, sie kann ihre Arme nach vorn nehmen. Dort werden sie wieder angelegt und eine Kette sichert zusätzlich dass Cathy ihren Platz nicht mehr verlassen kann. Die Kette wird mit einem Karabiner am Tisch eingehakt und dann ist Cathy bereit den Besuch zu empfangen.
Dort wartet sie einige Minuten, nach aussen hin völlig gleichgültig obwohl es in ihr brodelt. Es war so schwer zu beschreiben; es gab mehrere Ebenen, vielleicht wie die Haut einer Zwiebel. Nach aussen hin war sie völlig ruhig und gleichgültig. Ganz tief im Inneren wollte sie schreien und um sich schlagen, aber dazwischen lag eine Schicht die sie den Stimmen zuschrieb. Wie Balsam legte sich diese Schicht beruhigend auf Cathys Emotionen, zügelten sie und liessen nur das durch was nach aussen hin wie eisiges Schweigen aussah.
Als sich dann endlich die Tür öffnet und Zimmermann eintritt, da schaut sie auf und starrt ihn an.
Zimmermann lächelt und setzt sich dann ihr gegenüber. Auch er nimmt sich ausgiebig Zeit um sie anzusehen. Er war alt geworden; er sah immer noch gut aus, er würde noch dieses Jahr seinen fünfzigsten Geburtstag feiern aber natürlich sah man ihm das Alter an. Er hatte keinen leichten Job und das hatte Spuren hinterlassen. Er sagt:
"Wie machst du das bloss? Du siehst noch genauso aus wie beim letzten Mal."
Er war vor ziemlich genau einem Jahr hier gewesen, doch sogar darüber liess man Cathy im Unklaren. Dies war Teil des Programms. Keine Orientierung, wie und wo auch immer.
Cathy antwortet natürlich nicht. Sie sieht ihn nur an – nicht mal anklagend obwohl das schwer vorzustellen ist. Keine sarkastische Antwort kommt über ihre Lippen.
"Nun, unsere Geduld neigt sich ein wenig dem Ende zu, liebe Cathy. Es ist... eine lange Zeit die bereits vergangen ist. Du solltest dich mit mir unterhalten. Ich denke wirklich und ganz ohne Bluff darüber nach einen Gesuch einzureichen. Dieser endet damit dass dieses kostspielige Experiment beendet wird, du dem amerikanischen Steuerzahler also nicht weiter zur Last fällst und ein Todesurteil vollstreckt wird – unter Ausschluss der Öffentlichkeit natürlich."
Cathy denkt einen Moment nach und dann nickt sie bloss. Zimmermann ist wieder einmal enttäuscht, aber er lächelt bitter.
"Natürlich weiss ich dass man dir damit keine Angst machen kann. Also... sind wir bereit uns deine Bedingungen anzuhören."
Sie sieht ihn leicht verwundert an, dann legt sie den Kopf leicht schief und denkt lange nach. Dann sagt sie: "Das kommt reichlich spät, Mr. Zimmermann."
Beide starren sich an wie bei einem Showdown und Zimmermann wendet zuerst den Blick ab.
Kapitel 11 - Episode 4
von Alina am 01.04.2022 10:57Federal Medical Center, Lexington HSU
3301 Leestown Road, Lexington, Kentucky, USA
Thursday, March 22, 2001
Soundtrack für diese Episode: Oasis - Go Let It Out
Quelle des Bildes
Als Cathy nachts auf ihrer Pritsche liegt, da denkt sie noch lange nach. Zunächst hatte sie sich Bedenkzeit erbeten denn das Angebot war zwar verlockend, aber sie wollte sich gern darauf vorbereiten die Bedingungen mit einem Profi wie Zimmermann auszuhandeln. Der hatte sie aber ermutigt nicht schüchtern zu sein. Solange sich Cathys Bedingungen in einem Rahmen bewegten die realistisch und finanzierbar seien, so könne sie frei sprechen meinte er. Wieder dieses Wort, "finanzierbar". Vorher hatte er die Steuerzahler erwähnt. Ganz sicher war eine bestimmte Kasse nun leer, ein Etat war ausgelaufen und damit auch die Geduld von Zimmermann. Tiefer liess er sie nicht blicken; sie wusste nicht ob er das Ende des Projektes nun begrüsste oder nicht.
Cathy hatte einen Deal ausgehandelt den sie auch jetzt nicht bereut. Natürlich war es kein Grund zur Freude und sie glaubte auch nicht unbedingt daran dass sich das FBI an den Deal gebunden fühlte. Aber am Ende des Deals stand dass sie in einem normalen Gefängnis einsitzen würde. Naja, was hiess schon "normal", natürlich würde es ein Hochsicherheitsgefängnis sein und zwar das Sing Sing, ganz in der Nähe von New York.
Zimmermann hatte sie schon jetzt darauf hingewiesen dass sie spätestens alle zehn Jahre verlegt werden müsse. Es gab noch andere HSU's die auch Frauen aufnahmen und man würde sie herumreichen, denn die anderen Gefangenen würden es sicher bemerken dass Cathy nicht alterte. Und das wiederum würde zu unvorhersehbaren Reaktionen unter den Gefangenen führen. Das war Cathy nur recht – anders hatte sie es in Freiheit auch nicht gehalten.
Aber das war nur der letzte Teil des Deals. Beide hatten sich noch zu anderen Dingen verpflichtet. Cathy würde ihre Geschichte erzählen, sie würde helfen die Morde aufzuklären und zwar so viele wie möglich. Cathy hatte zugestimmt denn sie hatte nichts zu verlieren. Man hatte sie bereits so lange eingesperrt dass es keinesfalls mehr darum ging ihre Unschuld anzuerkennen. Nur ein Wunder würde sie in absehbarer Zeit in Freiheit kommen lassen.
Aber sie hatte auch einen Wunsch geäussert. Sie war während ihrer Zeit in Deutschland und auch in Russland immer wieder fasziniert gewesen vom modernen New York. Seit 1973 waren neue Gebäude hinzugekommen die die Skyline von New York prägten. Die Zwillingstürme des World Trade Centers faszinierten Cathy, auch wenn sie eher ein Fan des Empire State Buildings war und auch das Chrysler Buildung gefiel ihr ausserordentlich gut. Aber allein die schiere Höhe der beiden Zwillingstürme war atemberaubend.
Seit fast dreissig Jahren hatte sie also dieses Bauwerk immer wieder auf Photos bestaunt. Und nun hatte sie mit Zimmermann ausgehandelt dass sie die Sonne sehen wollte. Sie wollte oben in diesem Wolkenkratzer sitzen und da würde sie Zimmermann alles erzählen. Und dann würde sie eine lebenslange Haft in Sing Sing antreten, mit der Option auf Verlegung in andere Hochsicherheitsgefängnisse wenn es nötig würde.
Natürlich war es riskant überhaupt Wünsche zu äussern. Denn man wartete ja nur darauf dass Cathy überhaupt etwas von sich preisgab. Kannte man ihre Wünsche, so kannte man auch ihre Schwachstellen und könnte genau da ansetzen um Druck auf sie auszuüben. Aber sie hatte keine Wahl. Sie würde nichts finden ausser den Tod oder sogar weitere jahrelange Isolationshaft in diesem Grab. Alles war besser als das.
Zimmermann fand dass diese Bedingungen annehmbar seien. Tatsächlich lagen keine Berichte vor, in denen von grosser Grausamkeit oder Gefährlichkeit Cathys die Rede war. Sie musste unfassbar heimtückisch sein, hinterhältig vielleicht, aber nicht offen gewalttätig. Zimmermanns Versuche, noch am heutigen Tag etwas herauszufinden nachdem er ihr die Zusage gemacht hatte, scheiterten an einem eisigen Lächeln von Cathy.
Dann war da noch eine Sache. Zimmermann hatte sich sogar an die Tischkante gelehnt und hatte leise zu Cathy gesprochen. Er hatte Interpol erwähnt. Interpol würde man nun einweihen – ja, einweihen müssen. Man sah Cathy ihre lange Isolationshaft nicht an, daher schlug er vor Interpol darüber im Unklaren zu lassen wann Cathy tatsächlich festgenommen worden war. Cathy hatte nur mit den Schultern gezuckt – ihr selbst konnte diese Heimlichtuerei zwischen Interpol und dem FBI völlig egal sein. Zimmermann unterstrich aber die Wichtigkeit dieser Bitte mit der Drohung dass der Deal platzen würde, wenn sie Interpol von ihrer Isolationshaft berichten würde. In diesem Falle würde man sie anschliessend hierher zurückbringen und schnellstens ein Verfahren anstreben, bei dem ein schneller Vollzug der Todesstrafe ganz wahrscheinlich wäre. Cathy verstand und nickte nur knapp.
Sie hatte eben bis Anfang diesen Jahres in Moskau ihr Unwesen getrieben, so und nicht anders sollte sie es erzählen. Zimmermann bedankte sich für die Kooperation und er versicherte ihr glaubhaft dass er sich sehr auf die "Anhörung" freute. Dann verliess er sie mit den Worten dass es nur diese eine Chance für Cathy gäbe und dass sie keine Dummheiten machen solle. Diese Worte kannte sie schon – aus Ost-Berlin.
Kapitel 11 - Episode 5
von Alina am 02.04.2022 07:56Winchester (near Washington), Virginia, USA
Summer 2001
Soundtrack für diese Episode: Daft Punk - One More Time
Quelle des Bildes
Man hatte ihn zuhause angerufen und gebeten schnell ein Flugzeug zu nehmen. Eigentlich war es eine überflüssige Reise wie sich noch zeigen sollte. Hill hatte gerade in seinem Garten ein paar Büsche beschnitten als das Telefon klingelte. Sein ehemaliger Diensherr hatte beeindruckende Neuigkeiten. Sie hatten Cathy und sie war hier, in den Vereinigten Staaten!
Nachdem Hill sein Pensionsalter erreicht hatte war er zurück in seine Heimat gegangen. Dort hatte er das Haus seiner bereits verstorbenen Eltern übernommen. Immerhin hatte er das Glück gehabt noch ein Jahr mit seiner Mutter verbringen zu dürfen bevor sie starb.
Seiner Mutter hatte er nie erzählt woran er gearbeitet hatte. Es hätte sie generell auch nicht besonders interessiert. Aber die Geschichte von Catherine Hasselmann hätte sie wohl zutiefst beunruhigt, sie war eine tiefgläubige Frau gewesen und hatte zudem ein schwaches Herz.
Ein einzigen Erfolg hatte er noch während seiner Dienstzeit feiern dürften. Die Stasi-Akte von Catherine Hasselmann war gefunden worden. Während noch Millionen anderer Akten auf ihre Sichtung warteten, hatte man einige spezielle Stapel vorrangig durchgesehen und war dann auf Cathys Akte gestossen. Die Akten der Bürger mussten noch warten aber sensible Akten von Gefangenen beispielsweise wurden hier bevorzugt und der Reihe nach katalogisiert.
Die Akte selbst gab nicht viel her. Cathy hatte nicht mit den Behörden in der DDR gesprochen, auch jahrelange Isolationshaft in Bautzen hatten sie wohl nicht gebrochen. Aber die Akte beinhaltete endlich ein Photo. Er wusste nicht wieviele Stunden er das Photo angesehen hatte und sie immer wieder gefragt hatte: "Wo bist du? Wo hast du dich dieses Mal verkrochen?"
Sie war wunderschön, ohne jeden Zweifel. Sie hatte eine makellose Haut, grosse und sehr ausdrucksstarke Augen, eine süsse Nase, einen schön geschwungenen Mund, recht schlank trotz sehr weiblicher Proportionen. Man konnte dem Bild auch nicht ansehen, welche Wut in Cathy toben musste, just in dem Moment als das Photo geschossen wurde. Sie sah neutral in die Kamera, fast konnte er ein spitzbübisches Lächeln auf ihren Lippen erkennen. Dies war aber so gut oder schlecht zu beweisen wie die Tatsache dass die Mona Lisa lächelte oder eben nicht. Vielleicht sah auch nur er diesen leichten Spott – Cathy hatte ihn ihr ganzes Leben lang an der Nase herumgeführt und verspottete ihn auch noch jetzt.
In Lyon warteten dann unter anderem die alten Akten auf ihn. Man hätte sie ihm auch nach Washington schicken können aber anscheinend wollte man ihn nochmal persönlich treffen. Die Sache war wohl einfach zu gross und zu phantastisch um sie nur per Telefon zu besprechen, das sah er ein.
Er hatte dort in Lyon die Bilder von Cathy nebeneinander gelegt: das Phantombild, welches Ende der 1960er Jahre entstanden war, dann das Photo der Staatssicherheit aus dem Jahre 1987 und ein Photo aus den 1990er Jahren welches wohl in Moskau entstanden war. 1992 hatte wohl ein CIA-Agent das Photo in einem Hotel geschossen. Und dann gab es noch dieses ganz neue Bild, von diesem Jahr. Alle drei Photos zeigten dieselbe Frau, ihr Haar war mal etwas länger, mal etwas kürzer aber es war immer tendenziell kurz oder höchstens schulterlang und lockig. Auf all diesen Photos sah Catherine Hasselmann niemals älter aus als Anfang Zwanzig, jung und frisch, aufgeweckt und etwas schelmisch. Man konnte buchstäblich seinen Augen nicht trauen, die Bilder sahen aus wie mit dem Computer bearbeitet. Sein Verstand sagte ihm dass all diese Bilder innerhalb eines Jahres geschossen wurden und nur unterschiedlich bearbeitet worden waren. Liess man wenigstens das Phantombild aussen vor, so lagen zwischen den Photos von 1987 und 2001 vierzehn Jahre. Sein Verstand sträubte sich das wahre Datum eines jeden Bildes zu akzeptieren.
Nun war er wieder zuhause und er wartete auf den September. Das FBI hatte ihn eingeladen zu einem Termin von dem er niemals zu träumen gewagt hatte. Er würde am 10. September nach New York reisen und dort zusammen mit einem FBI-Agenten Cathy verhören dürfen. Sie hatte zugesagt ein komplettes Geständnis abzugeben.
Er hatte geweint – ob vor Freude oder aus einer anderen Emotion heraus, das wusste er nicht mehr. Es war mehr als nur Erleichterung. Er hatte schon mit dem Thema abgeschlossen und war ganz Pensionär. Er kümmerte sich lieber um das Pflanzen von Rosenbüschen als um die Integration neuer Mitgliedsstaaten bei Interpol oder gar um die Fahndung nach Massenmördern. Nun kam alles wieder hoch, verbunden mit der bangen Hoffnung ob sich denn nun endlich alles aufklären würde.
Oder würde Cathy wieder im letzten Moment dem FBI entkommen können? Ganz sicher nicht, aber er würde nicht einen Dollar darauf verwetten. Sie sass wohl in einem Gefängnis mit hoher Sicherheitsstufe ein dessen Name er auch auf Nachfrage nicht erfahren hatte. Und aus unerfindlichen Gründen sollte das Gespräch auch nicht in diesem Gefängnis stattfinden sondern im World Trade Center. Vielleicht war das wieder ein Trick. Er würde jedenfalls nicht zögern sie sofort zu erschiessen, sollte sie nur einen falschen Schritt machen.
Kapitel 11 - Episode 6
von Alina am 03.04.2022 12:03
Soundtrack für diese Episode: Kylie Minogue - Can't Get You Out Of My Head
Quelle des Bildes
Es ist drei Uhr morgens als einige schwarze Limousinen und ein Kleinbus in die Tiefgarage des World Trade Centers einbiegen. Etwa dreissig Minuten später befindet sich Cathy in der 96. Etage des Gebäudes. Hier befanden sich die Betriebsräume, genauer gesagt sogar zwischen der 92. und der 99. Etage von insgesamt 110 Etagen. Weiter oben gab es noch zusätzliche Maschinenräume die wohl für die Aufzüge zuständig waren, aber auf den neunziger Etagen handelte es sich um Betriebsräume aller Art, Lüftungs-, Energie- und Wasserversorgung. Diese Räume bildeten einen Kern aber man hatte die Aussenräume leer gelassen, dort wo ringsherum Fenster das Gebäude umschlossen. Diese Räume standen wohl mehr oder weniger leer, konnten für bestimmte kurzzeitige Projekte angemietet werden oder als Abstellräume benutzt werden.
Die Sicherheitsvorkehrungen waren beträchtlich aber nicht übertrieben. Cathy war wieder gefesselt, die Hände hinter dem Rücken, die Füsse zusammengekettet und sie hatte sich einen Peilsender implantieren lassen müssen – eine Technik die das CIA extra für diesen Fall bereitgestellt hatte. Und noch dazu trug sie einen kleinen Sprengsatz an der Hüfte der von Zimmermann notfalls gezündet werden konnte. Man wollte nichts dem Zufall überlassen. Dazu ein halbes Dutzend Agenten mit Handfeuerwaffen am Gurt und Schnellfeuerpistolen in der Hand, stark gepanzert und mit Kapuzen. Ein Aufzug war von der Tiefgarage nach oben reserviert worden für eine ganze Stunde damit niemand dieses Sonderkommando zu Gesicht bekam.
Oben war alles ganz nett vorbereitet. Vier Sessel standen dort, ein grosser Tisch mit zwei Stühlen, eine Kommode mit Kaffeemaschine und daneben Getränkekisten – alles provisorisch und einfach hingestellt aber immerhin. Dann allerlei technisches Gerät auf kleinen Tischen und ein Rekorder auf dem grossen Tisch.
Die Agenten hatten sich in Position gebracht. Zwei am Aufzug beziehungsweise an der Treppe, zwei an der Fensterfront, Cathy zugewandt und noch zwei im Raum verteilt, ebenfalls Cathy zugewandt – die Waffen feuerbereit, aber im Moment nicht auf Cathy gerichtet.
Cathy hat auf einem Sessel Platz genommen, die Hände sind nun frei, nur ihre Füsse sind weiterhin mit einer Kette verbunden. Vor ihr dampft ein frischgebrühter Kaffee. Eine junge Frau hat am Tisch Platz genommen, Cathy kennt ihre Funktion bisher nicht. Vielleicht war sie für das Protokoll zuständig, ein Diktat oder sie trug die Verantwortung für das reibungslose Funktionieren des Rekorders. Dann ist da Zimmermann der heute morgen angespannt wirkt. Cathy freute es zu sehen dass dies auch keine normale Situation für den sonst so betont-lässigen Agenten war. Das war seine Operation und jedes Malheur musste dafür sorgen, dass er sich an höchster Stelle verantworten musste.
Man hatte ihr gesagt dass auch ein Mann von Interpol kommen würde. Sie hatte aber nicht gefragt, wer das sein würde. Bei Hill war sie sich nicht sicher wie alt er mittlerweile war. Vielleicht war er schon tot. Jedenfalls war von diesem Mann noch nichts zu sehen.
Cathy geniesst die Aussicht und schaut immer wieder von ihrem Sessel aus zum Fenster. Zimmermann hatte ihr anfangs erlaubt einige Minuten am Fenster zu stehen und hinauszuschauen. Es war atemberaubend. New York bei Nacht, Millionen von Lichtern – die Stadt, die niemals schlief. Der beste Moment war aber gewesen als sie zum ersten Male wieder die Sonne gesehen hatte. Sie war gestern gegen Abend geweckt worden und als sie das oberirdische Gebäude verliess welches wie ein Grabstein auf ihrem Gefängnis stand, da hatte sie die letzten Strahlen der untergehenden Sonne auffangen können. Dabei hatte sie Tränen in den Augen. Es folgte eine kurze Fahrt zu einem kleinen Flughafen von wo aus sie mit einem Privatjet nach New York geflogen waren. Der Flug und die Ankunft in New York war von der gleichen Schönheit, sie hatte endlich wieder den Mond und die Sterne gesehen. Dabei hatte sie leise geweint. Niemand konnte sich diese Schönheit vorstellen wenn man fast neun Jahre auf diesen Anblick verzichten musste.
Gegen zwei Uhr waren sie in New York angekommen und dann folgte die Fahrt zum Welthandelszentrum. Gegen drei Uhr kamen sie an und nun schlug es fast vier Uhr. Cathy wusste nicht warum ihre Anhörung so früh am morgen stattfinden musste, aber sie war viel zu fasziniert von der Tatsache das erste Mal seit achteinhalb Jahren einen Tag-Nacht-Wechsel mitzuerleben.
Cathy schaut zum Aufzug. Zimmermann steht auf und geht herüber. Die Agenten machen einem älteren Herrn Platz der den Aufzug verlässt. Ein recht stattlicher Mann, weiss-blondes Haar und sommersprossig, sodass man vermuten kann dass er früher mal rothaarig war. Er redet zwar kurz mit Zimmermann aber sein Blick gilt sofort nur einer Person am Fenster. Cathy lässt ihn auch nicht aus den Augen und sie weiss dass das Hill sein muss. Sie kann von Anfang an diese Mischung in seinem Blick erkennen – Faszination gepaart mit Abscheu. Sie schmunzelt leicht. Sie hatte nicht mehr viel zu verlieren, das Gespräch konnte amüsant werden.
Beide nehmen Platz während Zimmermann und der noch unbekannte Mann miteinander tuscheln. Dann endlich sieht Zimmermann Cathy an und sagt laut, für alle hörbar:
"Das hier ist Mr. Hill, Interpol. Fürs Protokoll: aus dem aktiven Dienst entlassen aber er ist im offiziellen Auftrag von Interpol anwesend und wird die Verdächtige Catherine Hasselmann zusammen mit mir verhören."
Cathy lächelt nun und nickt Hill zu. "Mr. Hill. Es ist eine Freude Sie endlich kennenzulernen."
Sie steht auf und streckt die Hand aus, viel zu weit weg von ihm aber die Geste ist eindeutig und eine Provokation dazu. Hill verzieht säuerlich das Gesicht und starrt Cathy nur an.
Cathy wartet einige Sekunden die sehr zäh verinnen. Auch Zimmermann sieht Hill an. Diese Momente sagten ihm viel über die Beziehung dieser beider Menschen, die sich zwar noch nie gesehen hatten aber die sich seit einigen Jahrzehnten kannten. Hill hasste Cathy abgrundtief – aber er war zu stolz um ihr das ins Gesicht zu speien. Sein Blick sagt es trotzdem und Cathy schmunzelt. Nach all den Jahren und trotz seines Ruhestandes geht sie ihm noch immer unter die Haut. Diese Runde geht an sie.
Kapitel 11 - Episode 7
von Alina am 04.04.2022 11:4496. Etage des WTC 1 Gebäudes, World Trade Center, Manhattan,
New York City, NY, USA
4:00 am, Tuesday, 11th of September 2001
Soundtrack für diese Episode: Craig David - Walking Away
Quelle des Bildes
Etwa zehn Minuten später ist es soweit. Zimmermann hatte vorher noch das aktuelle Schreiben für alle sichtbar auf den Tisch gelegt. Es trug die Unterschrift des Präsidenten und genehmigte dem FBI genau das Vorgehen welches Zimmermann Cathy angeboten hatte: vollständiges Geständnis, danach Haft in Sing Sing oder, falls kein befriedigendes Geständnis dabei herauskam, schnellstmögliche Vollstreckung der Todesstrafe durch die Giftspritze und zwar in Kentucky wohin Cathy sofort wieder zurückkehren würde.
Natürlich war das nichts als ein Stück Papier, sie würde niemals etwas einklagen können. Aber der eigentlich riskante Teil war die Tatsache dass Zimmermann "zufrieden" sein musste. Er musste glauben dass das Geständnis vollständig war. Und Cathy war bereit etwas zu liefern – sie war nicht hier um ihre Weste reinwaschen zu können.
Doch nun geht es los. Cathy räuspert sich, schaut auf ihre Fingernägel und beginnt in Baltimore...
(Es folgen Auszüge aus dem Gesprächsprotokoll, Teil I)
Hasselmann: "...hatte ich eine Anstellung bei der Familie Richards in Baltimore. Das muss gegen Ende des Grossen Krieges gewesen sein. Ich habe dort etwa ein Jahr gearbeitet und ich kann mich daran erinnern dass mich Mr. Richards immer wieder angefasst hat. Er wollte mit mir schlafen. Und dazu ist es auch gekommen. Mr. Richards ist dann kurz darauf an einem Herzinfarkt gestorben. Die Polizei vermutete dass ich etwas damit zu tun hatte. Das hatte ich nicht, jedenfalls nicht direkt. Ich denke dazu sollte ich später mehr sagen. Zunächst hatte ich keine Ahnung was die Polizei von mir wollte. Ich habe ihn nicht vergiftet und er ist auch nicht während des Beischlafes gestorben. Ich war genauso überrascht wie alle anderen. (...)
...und bin dann nach New York gefahren, mit dem Zug. Ich wollte nur noch weg, weg von der Polizei, weg von meiner Familie, weg von meinen Nachbarn, alle redeten über mich, niemand glaubte mir. Ich wollte in einer grossen Stadt neu anfangen, ich war noch so jung.
Ich habe dann im Waldorf-Astoria angefangen zu arbeiten. Es war eine recht anstrengende Zeit aber New York war der richtige Ort für mich. Ich liebe New York..."
Anmerkung der Protokollantin: Mrs. Hasselmann steht auf, schaut seufzend aus dem Fenster und setzt sich dann wieder.
"...dann passierte es wieder. Da war dieser Mr. Buchanan. Ich erinnere mich nicht mehr an den Vornamen. Aber es war eine grässliche Nacht, ich... war total überfordert. Ich wusste nicht was geschieht. Ich hatte Sex mit Mr. Buchanan, er war ein Gast und... er hatte ein Auge auf mich geworfen. Später wurde ich von den Polizeisirenen geweckt. Er ist entweder selbst vom Balkon gesprungen oder er ist aus Versehen heruntergefallen. Jedenfalls war er tot und... ich hatte ein Deja-Vu. Der gleiche Mist wie in Baltimore, stimmt's?"
Hill (ärgerlich): "Wohin führt das? Das wollen Sie alles nicht gewesen sein? Wieso sollten wir uns so eine törichte Geschichte anhören?"
Zimmermann: "Lassen wir sie ausreden, das ist Teil des Deals."
Hasselmann: "Danke, Mr. Zimmermann. Das war auch noch nicht alles. Ich hatte auch Sex mit einem Ralf German oder so ähnlich. Ich habe ihn im Park getroffen, dann haben wir was zusammen getrunken und dann hatten wir Sex. Kurz darauf ist er von einem Auto überrollt worden wenn ich mich recht entsinne. Zu diesem Zeitpunkt war ich geschockt und dachte, ich wäre verflucht oder...was auch immer."
Hill: "Ein ganz schön frivoles Früchtchen, wenn man bedenkt dass damals...
Naja, das tut hier wohl nichts zur Sache. Aber gut, dann stimmt diese Verbindung schon mal. Ein Officer aus New York hat eine Verbindung hergestellt zwischen einem Mord in Baltimore an einem Mr. Richards und dem Tod eines Mr. Buchanan in New York. Beide Male soll ein junges, rothaariges Mädchen irgendwie involviert gewesen sein. Das stimmt also, Mrs. Hasselmann?"
Hasselmann: "Ja, das stimmt. Das war ich. Ich war zeitnah beim Tod von Mr. Richards anwesend und dasselbe gilt für Mr. Buchanan. Mit beiden hatte ich kurz unmittelbar zuvor auch Geschlechtsverkehr.
Und wieder hatte ich mit der Polizei zu tun. Wieder wurde ich befragt und ich dachte, das ganze Spiel würde sich nun hier in New York wiederholen. Also bin ich wieder davongelaufen. (...)
Lassen Sie mich nachdenken. Philadelphia, Indianapolis... ich erinnere mich an diese Zeit weil ich auch dort dieselben Erfahrungen gemacht habe wie in New York – nur dass sie jetzt allmählich zur Routine wurden. Ich fing an mich nicht mehr zu wundern. Ich suchte förmlich nach Todesanzeigen die mir bestätigten was ich irgendwie ahnte: wenn ich mit Männern schlief, dann starben sie meist kurze Zeit später."
Hill (aufgebracht): "Ich schlage vor, Mrs. Hasselmann noch heute zurück nach Lexington zu bringen. Das hier ist Zeitverschwendung."
Zimmermann: "Finden Sie? Ich finde es sehr interessant. Und was wundert Sie so sehr, verehrter Kollege? Sehen Sie sich ihre Photos an. Denken Sie nicht dass wir uns die Geschichte bis zum Ende anhören sollten? Ich bin jedenfalls auf Dinge gefasst die... mit normalem Verstand nicht zu erklären sind."
Hasselmann (pikiert): "Ich danke Ihnen. Und ich kann Ihnen versichern dass... ich mich genauso hilflos und sogar ausgeliefert gefühlt habe. Warum sollte ich lügen? Da liegt ein Schreiben Ihres Präsidenten, oder? Dann sage ich Ihnen halt dass ich 2.500 Männer vergiftet habe und dann bringen Sie mich bitte ins Sing Sing. Das soll mir auch recht sein."
Anmerkung der Protokollantin: Mr. Zimmermann unterbricht die Anhörung.
Kapitel 11 - Episode 8
von Alina am 05.04.2022 10:4896. Etage des WTC 1 Gebäudes, World Trade Center, Manhattan,
New York City, NY, USA
5:00 am, Tuesday, 11th of September 2001
Soundtrack für diese Episode: Melanie C - Never Be The Same Again
Quelle des Bildes
(Es folgen Auszüge aus dem Gesprächsprotokoll, Teil II)
"...einige Monate in Louisville. Auch dort erinnere ich mich an einen Gast des Hotels in dem ich arbeitete. Wir hatten Sex und kurz darauf rutschte er auf dem Parkett aus und schlug sich den Schädel ein. Mir kam es immer absurder vor was rings um mich herum passierte, aber... ich erinnere mich auch mit der Zeit gleichgültiger geworden zu sein. (...)
Ich bin sicher dass ich nur einen Bruchteil der Todesanzeigen oder Nachrichten gesehen habe. Ich hatte oft Sex, durchschnittlich mit zwei verschiedenen Männern pro Woche wenn ich das überschlage und manchmal habe ich von ihrem Tod erfahren – vor allem wenn es sich um etwas bekanntere Personen handelte wie Lokalpolitiker oder auch Musiker. Aber wenn Sie mich fragen dann... bin ich fast sicher, dass alle Männer gestorben sind mit denen ich Sex hatte. Daran glaube ich fest. Und das wusste ich damals schon. Oder besser gesagt, ich musste es stark annehmen."
Hill (wütend): "Um Gottes willen, warum haben Sie es denn dann gemacht? Heilige Mutter Gottes, warum sind Sie nicht ins Kloster gegangen? Das sind doch vorsätzliche Morde!"
Zimmermann (schmunzelnd): "Nun glauben Sie ihr also, Herr Kollege? Und ich danke Ihnen, Frau Hasselmann, dass Sie meine Zahlen verifiziert haben. Dank der peniblen Arbeit schon lange verstorbener Mitarbeiter an Ihrem Fall und nicht zuletzt der Berechnungen von Mr. Hill sind wir anhand sehr ähnlicher Annahmen auf eine Zahl von etwa 2.500 Morden gekommen. Deckt sich das mit Ihrer eigenen Vermutung?"
Anmerkung der Protokollantin: Mrs. Hasselmann nickt. Mr. Hill stöhnt schmerzerfüllt.
Hasselmann: "...in Chicago. Das muss Anfang der 1930er Jahre gewesen sein... vielleicht auch ein wenig früher. Ja, noch vor dem "Black Thursday", ich erinnere mich. Ich wollte schon die ganze Zeit nach Chicago gehen aber erst kurz vor der Weltwirtschaftskrise war es soweit. Ich habe im Guyon Hotel gearbeitet. Zu dieser Zeit ist mir aufgefallen dass ich nicht altere. Ich hätte ja schon Ende Zwanzig sein müssen – oder besser, ich war Ende Zwanzig aber ich sah so aus wie ich jetzt auch aussehe. Wenn Sie mich fragen würden, so würde ich antworten dass ich mich seit Mr. Richards Tod nicht mehr verändert habe. Und fragen Sie mich nicht wieso. Das ist etwas was ich selbst nur allzugern wüsste. Ich konnte mir nie einen Reim drauf machen. Und seien sie sich gewiss, ich habe es versucht. Ich hatte lange genug Zeit dafür. Sagen Sie es mir. Sie haben mich acht... Sie haben mich lange genug untersucht."
Anmerkung der Protokollantin: Auf Anordnung von Mr. Zimmermann werden die letzten beiden Sätze aus dem Protokoll gestrichen.
Hasselmann: "...sein Name war Frank Yale. Ich nannte ihn Frankie. Er war ein Mafiosi, das wusste ich. Ich erinnere mich dass ich mich zu dieser Zeit immer sicherer fühlte was meinen... Fluch angeht. Es tut mir leid, ich kann es nicht anders nennen. Ich dachte ich hätte den Dreh heraus. Ich hatte mich etwas in Mr. Yale verliebt, sein Geld war ein schöner Anreiz, ich hätte vielleicht nie mehr arbeiten müssen. Ich hätte ihn geheiratet oder ich wäre sogar glücklich geworden seine Geliebte zu sein. Ich gab mir Mühe es 'anders zu machen', wenn Sie verstehen was ich meine. Wenn Sie es nicht verstehen... das macht nichts – zu diesem Zeitpunkt wusste ich auch noch gar nichts, wie ich später herausfinden sollte. Frankie wurde übrigens erschossen nachdem ich Sex mit ihm hatte."
Anmerkung der Protokollantin: Mrs. Hasselmann trinkt Kaffee und zündet sich eine Zigarette an. Dann fährt sie fort.
Hasselmann: "...Tode, aber keine Morde. Menschen starben wenn sie mich trafen und mit mir Sex hatten aber bisher hatte ich niemals Hand an jemanden gelegt. Niemals. Glauben Sie das oder lassen Sie es. Aber ich habe später doch jemanden ermordet und zwar in Chicago. Da war dieser Kerl der mich wiedererkannte. Er hiess Peterson, Dillon Peterson. Er hatte mich in New York gesehen, ebenfalls bei meiner Arbeit als Zimmermädchen. Und er liess sich nicht abwimmeln. Dann sind wir zu ihm gegangen und da habe ich ihn dann umgebracht. Ich habe ihn mit KO-Tropfen erledigt und ihn dann mit einem Kissen erstickt."
Hill (fassungslos): "Herrje, warum bringt sie jemanden um wenn die Kerle doch von ganz allein sterben? Was in aller Welt erzählt sie uns da?"
Zimmermann (beschwichtigend): "Bitte, lassen Sie sie doch berichten. Jetzt haben Sie doch endlich ihr erstes Geständnis. Ein Mord! Dafür bekommt sie lebenslänglich. (...) Nun beruhigen Sie sich doch, Mr. Hill!"
Hasselmann (nachdenklich): "Ich weiss nicht warum ich es getan habe. Ich kann mich erinnern dass ich grosse Angst hatte. Die ganze Sache war mir selbst unheimlich. Da war jemand der sich an etwas erinnerte wovor ich geflohen bin. Und dann sprach er mich noch darauf an dass ich mich gar nicht verändert hätte. Dann sah ich rot. Ich wusste auch dass er eh sterben wird nachdem... nachdem ich mit ihm geschlafen hatte. Ich wollte es... bloss beschleunigen."
Anmerkung der Protokollantin: Mr. Hill bittet um eine Pause.
Kapitel 11 - Episode 9
von Alina am 06.04.2022 10:1996. Etage des WTC 1 Gebäudes, World Trade Center, Manhattan,
New York City, NY, USA
6:00 am, Monday, 10th of September 2001
Soundtrack für diese Episode: Sugababes - Overload
Quelle des Bildes
(Es folgen Auszüge aus dem Gesprächsprotokoll, Teil III)
Hasselmann: "...in den Süden. Mein Ziel war New Orleans und ich bin direkt dort 'runtergefahren, also keine Anstellungen in anderen Städten auf dem Weg dorthin. Ich musste weg aus Chicago. Dieses Mal nicht wegen den Bul-... nicht wegen der Polizei, sondern weil es langsam auffiel dass ich nicht altere. Ich habe getrunken, geraucht, war die ganze Nacht unterwegs, hatte viele Männer... und nichts davon hinterliess eine Spur. Ich wusste dass ich nirgends länger sechs, sieben, acht Jahre lang bleiben konnte."
Anmerkung der Protokollantin: Schriftlicher Zusatz von Mr. Zimmermann während einer Pause. "Bitte von Direktion prüfen lassen ob eine Todesstrafe in diesem Falle nicht doch zielführender wäre. Der Aufwand einer Verlegung alle sechs Jahre bedeutet nahezu eine Verdoppelung der Bemühungen. Kosten und Nutzen stehen hier in keinem günstigen Verhältnis mehr zueinander."
Hasselmann: "...keine anderen Hotels auf dem Weg, ich bin direkt nach New Orleans gegangen und habe dann eine Anstellung im Hotel Monteleone gefunden. An zwei Gäste kann ich mich erinnern, zwei prominente Männer. Einmal der Musiker Frank Dusen den ich im Hotel kennenlernte. Er wollte mich unbedingt und... nach einigem Drängen habe ich dann nachgegeben. Er ist kurze Zeit später ziemlich elendig an einer schweren Krankheit gestorben."
Hill: "Schon in der Bibel steht: 'Vor ihm her ging Pestilenz, und Plage ging aus, wo er hin trat.' Ihre Worte sind schwer zu ertragen, Mrs. Hasselmann. Wie kann man nur so verkommen und rücksichtlos sein?"
Hasselmann (ungerührt): "Was sehr viel interessanter ist, Mister... da gab es diesen Lokalpolitiker, Mr. Hébert. Auch er stellte mir im Hotel nach, etwa zur selben Zeit. Ich liess mich darauf ein, es schmeichelte mir dass er mich wollte. Doch... er konnte nicht. Ganz sicher war er impotent, wir versuchten es Stunden. Und er ist nicht gestorben, das weiss ich. Ich habe seine Karriere noch eine Zeitlang verfolgt. Genau weiss ich es nicht wann er gestorben ist, aber das können sie mir sicherlich sagen.
Zimmermann (recherchiert im Internet): "Das kann ich tatsächlich, liebe Catherine. Der Mann ist 1901 geboren, so wie Sie. Allerdings hatte er wohl das Gefühl ein junges Mädchen im Bett zu haben. Wann war das? (...) 1935, ich verstehe. Ja, gefühlt war er fast doppelt so alt wie Sie, Mrs. Hasselmann? (...) Ja. Und er ist 1979 gestorben, er wurde also 78 Jahre alt. Sie haben Recht, er hatte noch ein langes Leben."
Anmerkung der Protokollantin: Mr. Hill seufzt erleichtert.
Hasselmann: "Dann war da noch meine wichtiste Begegnung... vielleicht die wichtigste meines ganzen Lebens, Joe... Johann Conrad. (...) Ja, deutschstämmig, die Liebe meines Lebens. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt dass ich... die Sache doch manipulieren kann. Es klingt schrecklich aber... ich hatte herausgefunden dass ich über ein kleines... wie soll ich sagen, Zeitfenster verfüge wenn ich gerade Sex mit einem anderen Mann hatte. Der würde sterben, aber... nicht der Mann der kurz darauf folgt. Verstehen Sie das? Der Fluch scheint... inaktiv zu sein – falls das einen Sinn ergibt. Aber nicht sehr lang, keine Ahnung. Ich habe nie eine richtige Statistik darüber angelegt."
Hill (reibt sich die Schläfen): "Sagen Sie, schämen Sie sich nicht? Haben Sie nie versucht sich einen Strick zu nehmen? Mir ist speiübel. Ich komme mir vor als würde ich Adolf Eichmann verhören. Sie sind ja..."
Zimmermann: "Ich sehe durchaus einen Konflikt in ihr. Sie versucht zu überleben, wie wir alle. Und sie versucht herauszufinden warum Menschen sterben. Ist es nicht so? Waren Sie glücklich mit dieser Situation, Mrs. Hasselmann? Oder hätten Sie nicht lieber ein normales Leben gelebt?"
Hasselmann: "Die Frage habe ich mir oft gestellt. Ich habe lange nicht mit Johann geschlafen... aus Angst ich würde ihn töten. Schlussendlich habe ich ihn dann sogar verlassen. Ich dachte mein Herz zerbricht daran. Später sind wir dann doch wieder zusammengekommen. Da war mir dann die Sache mit dem Zeitfenster klar. Wir konnten sogar miteinander schlafen..."
Hill (erbost): "...wenn Sie vorher einen anderen braven Mann ermordeten, stimmt's? Wie krank sind Sie da drinnen in Ihrem Kopf? Das ist ja unerhört!"
Anmerkung der Protokollantin: Mr. Hill muss davon abgehalten werden Mrs. Hasselmann tätlich anzugreifen. Mr. Zimmermann unterbricht daraufhin die Anhörung.
Kapitel 11 - Episode 10
von Alina am 07.04.2022 12:0696. Etage des WTC 1 Gebäudes, World Trade Center, Manhattan,
New York City, NY, USA
6:45 am, Tuesday, 11th of September 2001
Soundtrack für diese Episode: Dido - Here With Me
Quelle des Bildes
Cathy hatte einige Minuten am Fenster verbracht. Die Sonne war aufgegangen und sie hatte wieder weinen müssen. Sie hatte das Gefühl dass dieser emotionale Ausbruch alle ein wenig rührte – alle ausser Hill natürlich. Es war der schönste Sonnenaufgang aller Zeiten nachdem sie hundert Monate lang lebendig begraben war. Aber gegen 6:45 Uhr geht es dann weiter.
(Es folgen Auszüge aus dem Gesprächsprotokoll, Teil IV)
"...1940 habe ich dann im Hotel Monteleone gekündigt und habe mit Joe zusammengelebt bis zum Sommer '41. Das war keine gute Idee. Ich war besessen von der Idee, ein normales Leben führen zu können mit Joe. Die Leute hatten schon wieder begonnen zu fragen warum ich nur so verdammt jung aussähe. Es wurde immer mehr Leuten unheimlich, nicht nur Joe. (...)
Aber das Schicksal kam mir zuvor. Irgendwie... muss ich einen Fehler gemacht haben. Oder... naja, wie auch immer, Joe war plötzlich todkrank, Krebs. Ich weiss dass auch manchmal... Menschen einfach so sterben und ich weiss bis heute nicht ob ich einen Anteil daran hatte. Er ist dann schnell gestorben und ich bin abgehauen. Dieses Mal nach Houston, Texas. Dort habe ich dann Jules getroffen. Jules hat mich recht schnell mit nach San Francisco genommen. Das war... Neujahr '42 glaube ich. Ja, genau.
Mir war das recht, denn... ich wusste dass die vielen Toten längst aufgefallen sein mussten. Bis 1940 hatte ich meistens Sex mit Hotelgästen und das musste doch irgendwann auffallen, oder?
In San Franciso jedenfalls habe ich dann etwas über mich gelesen. Eine bundesweite Fahndung mit meinem Namen! Da bin ich Panik geraten. Bundesweite Fahndung, das heisst doch sicherlich dass das FBI mit drinsteckt. Jedenfalls traute ich niemandem mehr, vor allem nicht Jules. Ich habe ihn dann vergiftet."
Zimmermann: "Also noch ein... 'ganz normaler Mord', wenn ich das nennen darf? Sie haben ihn mit eigenen Händen umgebracht? (...) Verstehe. Sehr interessant. (...)
Ich darf Ihnen vielleicht noch mitteilen dass das FBI zwar auf Zack ist, aber nicht ganz so wie sie befürchteten. Das FBI fahndete erst seit 1943 nach Ihnen. (...)"
Anmerkung der Protokollantin: Streichung eines Fluches von Mrs. Hasselmann aus dem Protokoll.
Zimmermann: "Und Sie haben recht. Es waren vor allem die Totenfälle in Hotels die unsere Aufmerksamkeit erregt haben. Die Tatorte kombiniert mit Ihrem Aussehen sorgten dafür, dass wir von ein und derselben Täterin ausgehen konnten. Sogar unser Sonderermittlungsteam beim FBI trug den Namen 'Hotel'."
Hasselmann: "(...) Dann habe ich noch ein paar Wochen irgendwo in der Pampa gewohnt und habe mir einen neuen Pass besorgt. Der Name lautete 'Cathy O'Donovan'.
Und dann nichts wie weg. Ich bin mit dem Schiff nach Hawaii gefahren. Und irgendwann '42 bin ich dann wohl in Pearl Harbour an Bord der USS Enterprise gegangen. Dort habe ich gedient. (...)
Auch das war ein Fehler. Man sollte niemals dorthin fliehen von wo es keinen Ausweg mehr gibt. Erst die Enterprise, dann später die DDR... zweimal eingeschlossen und zweimal verhaftet worden. Heute... wäre ich klüger. (...)"
An Bord war alles anders. Ich hatte viel weniger Sex und... das war auch okay so. Zwei Männer in drei Monaten aber beide starben. Einer fiel von Bord und einer wurde bei einem Luftangriff der Japaner getötet. Ich war sogar dabei. Ich war voller Blut und... es war einfach schrecklich. (...)
Der Admiral war von mir beeindruckt. (...) Ja, Admiral selbst. Es war Halsey, William Halsey. Er wollte eine Heldin aus mir machen und mich auf Plakate drucken lassen. Dann wäre ich erledigt gewesen und das konnte ich natürlich nicht zulassen..."
Anmerkung der Protokollantin: Mr. Hill muss von Mr. Zimmermann und einem weiteren Agenten beruhigt werden. Ihm wurde ausserdem versichert dass der Kriegsheld Halsey erst im Jahre 1959 mit 77 Lebensjahren verstarb.
Hasselmann: "Was dann folgte war ein ziemliches Durcheinander. Da war dieser Kerl, George Dempsey. Der wollte mich nach Hollywood bringen. Ich hatte vor, ihm irgendwo auf dem Weg dorthin davonzulaufen und einen neuen Pass würde ich auch wieder brauchen. Und da war dann noch Shawn, so ein niedlicher Matrose. Er wollte mich mit auf seine Farm nehmen, nach Wyoming glaube ich. Er wurde eifersüchtig. Er brachte Dempsey um, es war ein Unfall. Und ich brachte dann Shawn um. Nicht mit Gift, mit... mit Sex und es war so leidenschaftlich dass er noch in der gleichen Nacht gestorben ist. Das war wohl ein bisschen viel... Dempsey, dann Shawn. Sie haben mich dann eingelocht."
Hill: "Das ist ja allerhand. Ich brauche eine Pause. Sonst ersticke ich. Eine Heldin sollte sie werden... ein Weibsstück, welches nichts Besseres zu tun hat als unsere braven Jungs auf See zu verführen und zu töten!
Sagen Sie mal, warum... warum hatten Sie soviele wechselnde Partner? Nehmen Sie mich mal mit in Ihre kranke Gedankenwelt. Warum gehen Sie so sorglos mit Menschenleben um? Sie wissen, wenn sie mit jemandem Geschlechtsverkehr haben wird er sterben. Warum nur hatten Sie so viele Männer? Warum haben Sie nicht versucht, die Opferzahl wenigstens so gering wie möglich zu halten?"
Stille breitet sich im Raum aus.