Das Zimmermädchen [FSK18]
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Kapitel 8, Episode 10
von Alina am 03.12.2021 18:37Lyon, Bureau de Interpol
Octobre 1968 moitié du mois
Quelle des Bildes
Nun begann also die Sisyphusarbeit. Eigentlich war es ja unmöglich diesen Fall allein zu bearbeiten, schon allein aufgrund der schieren Menge an Material. Jedoch war das Interesse an diesem Fall nicht gross genug als dass Hill wenigstens Mitarbeiter hätte anfordern können oder gar eine Sonderkommission hätte einrichten dürfen. Auf der anderen Seite war er froh dass Interpol ihm freie Hand liess und es tolerierte dass er sich ausschliesslich nur mit diesem Fall beschäftigte. Er war im Haus auch bekannt als „der heisse Draht nach Washinton", aber davon wurde recht selten Gebrauch gemacht. Falls die Beamten eine Anfrage hatten erledigten sie sie lieber allein, das sparte Zeit und man ersparte sich den mürrischen Blick von Hill der von seinen Akten aufsah.
Hill starrt die zugegebenermaßen nicht komplett leere Wand an und nimmt wieder den Telefonhörer zur Hand. Es ist Zeit für ein erneutes Gespräch mit Donahan. Das Gespräch vor einigen Tagen war erfreulich nüchtern verlaufen nach Hills Ansicht. Sie hatten sich nur kurz einander vorgestellt und dann vereinbart dass Hill sich wieder melden würde wenn er die Vorsortierung der Akten vorgenommen und sich einen ersten Überblick verschafft hatte. Sie waren nicht ins Plaudern geraten und hatten den Fall selbst nicht mal erwähnt.
Dank der Zeitverzögerung rief Hill gern erst am Nachmittag in den USA an. Diese Sache berücksichtigte er eher als seine französischen Kollegen die sich manchmal wunderten „warum denn bloss niemand abhebt". Er schmunzelt und rechnet sieben Stunden zurück, es musste jetzt 9 Uhr morgens sein in St. Louis.
Er lässt sich wieder durchstellen und nach einigen Minuten hört er wieder Donahans Stimme, etwas kratzig und zeitverzögert, aber es war immerhin eine transatlantische Verbindung. Ein Hoch auf die moderne Technik.
„Guten Morgen, Mr. Donahan. Ich habe ja versprochen mich wieder zu melden. Ich habe die Akten soweit gesichtet."
„Guten Tag, Mr. Hill." Donahan ist aufmerksam, denkt Hill. „Ja, ich erinnere mich. Sie arbeiten am Fall 'Cathy Hasselmann', für Interpol, nicht wahr? Sie machen dort weiter wo Evans aufgehört hat."
„Genau, Mr. Donahan. Ich komme nicht umhin Sie zu fragen, was Sie denken. Immerhin arbeiten sie seit dreissig Jahren an diesem Fall."
Es soll nicht nach einem Vorwurf klingen, aber das tut es auf eine leicht verstörende Art und Weise. Man kann so einen unfassbaren Satz nicht sagen ohne dass er irgendwie vorwurfsvoll klingt.
„Seit 32 Jahren um genau zu sein, Mr. Hill. Ich bekam den Fall zum ersten Mal 1936 zu Gesicht. Mein Chef bat mich diese Story zu übernehmen und das auch ohne Zeitdruck. Ihm war klar dass man so einen Fall nicht über Nacht löst. Nun ja, er hat Recht behalten."
Donahan klingt nicht beleidigt oder brüskiert. Er hatte sich wohl mit der Realität abgefunden, schon lange.
„Es klingt verrückt, Mister. Das geht mir genauso", erwidert Hill. „Man fragt sich wie das sein kann. Nun, wie sehen Sie diesen Fall? Nichts interessiert mich mehr als diese Frage. Sie haben sich bestimmt eine Menge Gedanken gemacht... in diesen 32 Jahren."
Die Zahl lässt Hill nicht los. Es war ausserdem die Anzahl seiner Lebensjahre und damit verliess die Dauer den Rahmen dessen, was er sich leicht vorstellen konnte.
„Das ist wahr. Es ist in etwa so als würde man Sokrates' Lehre ständig vor sich sehen: 'Ich weiss, dass ich nichts weiss'. Es ist deprimierend aber nur bis zu einem bestimmten Punkt. Wenn man erkennt dass man die gleiche Chance hat wie ein Schneeball in der Hölle, dann entspannt man sich."
Hill schmunzelt wieder. So spricht nur ein Amerikaner; er kennt das Sprichwort.
„Sie machen mir nicht gerade Mut, Mister. Aber das dachte ich mir schon bereits vor unserem Gespräch. Ich dachte auch daran dass ich unsere Fahndungsmethoden sehr schätze. Vielleicht finden wir wirklich heraus, wo diese Cathy überall war, aber...", er bricht ab.
„Aber...?", fragt Donahan nach.
„Sie wird uns immer einen Schritt voraus sein. Ich weiss, mehr kann man eigentlich nicht tun und es ist auch keine Kritik an den bisherigen Methoden."
„Ich weiss was Sie meinen", erwidert Donahan. „Ich habe auch keine Ahnung wie ich näher an sie herankommen soll, schon seit drei Jahrzehnten geht mir das so. Es ist sehr viel wahrscheinlicher dass der ganze Spuk irgendwann aufhört, ganz von allein. Oder sie wird geschnappt, an irgendeinem Bahnhof oder Flughafen, wegen irgendeines dummen Fehlers. Und alles was wir getan haben war völlig bedeutungslos. Wir können uns dann nur noch einen einzigen Erfolg zuschreiben: das Interesse an diesem Fall über die Jahre nicht verloren zu haben."
Hill schweigt und seufzt leise.
„Melden Sie sich wieder im neuen Jahr, Mister Hill. Dann habe ich wieder den Anwalt getroffen und vielleicht ändert sich etwas für uns. Ich wünsche noch einen schönen Abend."
„Ich wünsche einen guten Tag, Mr. Donahan. Danke für die Einschätzung."
Dann klickt es und Hill hört nur noch das Tuten einer toten Leitung.
Kapitel 8, Episode 11
von Alina am 05.12.2021 14:06Paris Marriott Champs- Élysées Hotel, chambre de Cathy
Le samedi 2 novembre 1968
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Der nächste Tag bringt Klarheit für Cathy. Eine versuchte Vergewaltigung mit Todesfolge wurde als Grund in der Tageszeit genannt. Sie hatte sich „Le Parisien" gekauft und hatte den Artikel im Lokalteil der Zeitung gefunden.
Sie hatte einen verzweifelten Abend in ihrer Kammer verbracht. Sie hatte sich maßlos betrinken wollen und sie hatte nicht wenig Lust gehabt, ihren Zorn auf die Welt an einem Mann abzureagieren – und die Folgen für diesen mit einer gewissen Genugtuung zur Kenntnis zu nehmen. Sie hatte Lust jemanden sterben zu sehen. Dafür würde die Welt büssen, zu der sie augenscheinlich nicht gehören durfte.
Sie hatte noch einen Whiskey getrunken, hatte dem Wirt ebenfalls einen zersplitterten Toilettenspiegel bezahlt und war dann zurück ins Hotel gegangen. In solchen Momenten brachte man sich in Teufels Küche wenn man sich nicht disziplinierte.
Dort sass sie dann mit der Angst, die Polizei ja selbst zum Hotel geschickt zu haben. Sie brauchte sich nicht wundern wenn man Eins und Eins zusammenzählte und schlussfolgerte dass dieses fremde Mädchen, welches nicht zur Beweisaufnahme ins Revier gekommen war und über die Identität und den zeitweiligen Wohnort der Toten Bescheid wusste, selbst im Hotel wohnte oder arbeitete. Aber selbst dafür war die französische Polizei zu dumm – so ihr nüchternes Fazit am nächsten Tag.
Sie liegt stundenlang im Bett und starrt an die Decke. Dieser Mann oder die Männer die das getan haben, die mussten sterben. Dieses Mal war es persönlich. Sie würde jagen und zwar mit Hass in den Augen – nicht mit dem gleichgültigen Blick einer Löwin die sich ihrer Beute nähert.
***
Monsieur Gabin kratzt sich am Kinn und legt die Stirn in Falten.
„Ein Mädchen sagen Sie? Mit roten Haaren? So etwas hatten wir diese Woche schon mal... auch drüben im Marriott."
Martins Blick hellt sich etwas auf. Er gehörte zu der Sorte Polizeibeamter die sich niemals von einer Nachricht richtig begeistern liessen. Dafür hatte er schon zuviel gesehen – und auch zu oft seine Hoffnung begraben müssen.
„Was genau ist im Marriott passiert, Gabin?", fragt er nach einer Kunstpause die Gabin wohl zur Steigerung der Spannung bereits eingeplant hatte. Doch der zuckt nur mit den Schultern und antwortet:
„Das hat sicher nicht viel zu bedeuten. Auch ein Mädchen welches beinahe vergewaltigt worden ist. Sie hatte rote Haare, ein hübsches Ding. Sicher eine Irin, vielleicht auch Engländerin. O'Brien hiess sie, ja genau."
„Mein rothaariges Mädchen heisst McMahon, aber ansonsten passt die Beschreibung." Nun kratzt sich Monsieur Martin auch am Kinn. „Vielleicht schaue ich sie mir mal an. Jetzt habe ich aber erst einmal noch genügend Schreibkram zu erledigen. Der Professor im Marriott, zu dem die Tote gehörte, ist ausser sich vor Wut und verflucht Frankreich den ganzen lieben Tag lang. Aber immerhin hat er die Aufgabe übernommen, die Familie zu informieren."
„Sie sind ein Glückspilz, Martin", erwidert Gabin. „Das ist von allen Aufgaben immer die unangenehmste."
„Wem sagen Sie das? – Danke für den Kaffee, alter Freund." Martin schlägt Gabin freundschaftlich auf die Schulter und verlässt dessen Büro. Diese informellen Kaffeepausen waren wohl die eigentlichen Brutstätten diverser Ermittlungserfolge, denkt er wieder mal in diesem Moment und lächelt auf dem Weg in sein eigenes Büro.
Auch Gabin grübelt. Diese O'Brien, sie war auch immer noch seine Zeugin. Und es war sicher ein Augenschmaus sie wiederzusehen. Er schmunzelt und rückt sich seine Krawatte gerade und dreht sich einmal halblinks und halbrechts, um sein Profil in den grossen Fenstern seines Büros zu begutachten.
Kapitel 8, Episode 12
von Alina am 06.12.2021 15:38Paris rue Chateaubriand
Le dimanche 3 novembre 1968
Quelle des Bildes
Dann wird der Hörer abgenommen; es klingt so als würde der Hörer zunächst einmal irgendwo gegengehauen. Cathy hält die Luft an und presst den Hörer ans Ohr. Atmen, dann eine Stimme, eine Kinderstimme: „Ja? Wer ist da?"
Cathy räuspert sich und fragt zurück: „Wer ist denn da?"
„Linda!" antwortet die recht euphorische Kinderstimme. Cathy hatte sich schon kurz vorher festgelegt und vermutet dass es sich um ein Mädchen handelt.
„Linda, gibst du mir bitte mal deine Mutter? Ich würde..."
Erneutes Klopfen und Knistern, dann eine klare Stimme, die aber immer noch weit entfernt wirkt.
„Ja, wer ist da? Hier ist Familie Hasselmann."
Cathy wird etwas schwindelig.
„Ja, hier... ist auch Hasselmann. Hier ist Cathy. Ich... ich würde gern wissen ob... kennen Sie den Schorsch? Oder Inge, meine Mutter?
Schweigen am anderen Ende der Leitung.
„Ist das ein Scherz? Wer sind Sie?"
„Cathy... Cathy Hasselmann. Und das ist kein Scherz. Ich... Inge ist meine Mutter. Vielleicht lebt sie noch, sie müsste um die 90 Jahre alt sein."
Wieder Schweigen, dieses Mal länger. Dann hört sie ein Gespräch im Hintergrund und dann wird der Hörer wieder weitergereicht, so klingt es wenigstens. Eine Männerstimme fragt plötzlich:
„Wer ist da bitte? Ich hoffe, Sie erlauben sich keinen Scherz mit uns!"
Die Stimme klingt nicht mehr freundlich und Cathy schluckt wieder.
„Ich bin es, Cathy, die Tochter von Inge und Schorsch. Ich habe Baltimore in den Zwanzigern verlassen. Ich will nur wissen ob Sie Inge oder Schorsch kennen. Vielleicht waren wir nicht die einzigen Hasselmanns in Baltimore.
„Hören Sie... ich weiss von dieser Cathy. Das wollen Sie sein? Und selbst wenn Sie es sind... wissen Sie wieviel Schande Sie über unsere Familie gebracht haben? Wissen Sie dass Schorsch schon lange gestorben ist, weil er es nie überwunden hat dass seine Tochter ohne ein Wort verschwunden ist? Und wenn Sie diese Cathy sind, dann wissen Sie sicher auch dass Inge erst vor wenigen Monaten gestorben ist. Ihre Familie hat sich um sie gekümmert. Wir Hasselmanns halten zusammen. Aber ihre Tochter war nie da wenn ihre Mutter sie gebraucht hat. Scheren Sie sich zum Teufel, Ma'am. Wir glauben nicht an eine Cathy Hasselmann. Schorschs Tochter ist schon lange tot."
Cathy schluchzt, längst laufen ihr Tränen die Wangen herunter. Sie will etwas sagen und überlegt, es muss etwas Kluges sein – doch dann hört sie schon das Tuten. Der Mann hat aufgehängt.
Sie starrt den Apparat an; sie spürt ihre Lippen beben und ihr Blick ist leer. Ihre Augen haben sich zu engen Schlitzen verzogen – dann schmettert sie den Hörer so hart gegen den Apparat, dass man befürchten muss dass Cathy diesen in einen Zustand der Funktionslosigkeit versetzt hat. Ein Fussgänger auf der anderen Straßenseite bleibt fassungslos stehen und starrt Cathy an und geht dann schnell weiter. Cathy entgleiten die Gesichtszüge und ihre Knie geben nach... sie sinkt auf die Knie und beginnt bitterlich zu weinen. Ihr Oberkörper droht umzufallen und sie lehnt sich an den Apparat und hält sich an der Schnur des Telefonhörers fest.
„NEEEEIIIIN!!!", schreit sie plötzlich während sie auf dem schmutzigen Boden des kleinen, roten Häuschens kauert. Sie kann nicht verhindern dass sie leicht umkippt, nun auf dem Po sitzt in der Ecke der schützenden Zelle. So dicht am Boden riecht es nach Urin und sie sitzt auf einigen aufgeweichten Zigarettenstummeln. Normalerweise würde sie sich ekeln aber dies hier war das perfekte Umfeld um den Zustand ihres Seelenlebens zu umrahmen. Sie weint und weint, untröstlich und wissend dass sie grössere Macht über die Zeit hat als alle anderen – aber eben nicht genug.
Kapitel 8, Episode 13
von Alina am 07.12.2021 19:37Paris Marriott Champs- Élysées Hotel, chambre de Cathy
Le dimanche 3 novembre 1968
Quelle des Bildes (bearbeitet von Alina)
Es klopft an der Tür zu der kleinen Kammer. Cathy liegt nackt und zusammengerollt im Bett und hat die müden Augen geschlossen. Sie war völlig erschöpft gewesen vom Weinen. Als sie ins Hotel zurückgekehrt war, hatte Morel sie gesehen und sie hatte unter Tränen berichtet, sie hätte einen 'Flashback' gehabt und dann hatte sie Morel erklären müssen was das war. Sie hätte den Angriff auf sich im Park in Gedanken wieder erlebt und dann hatte Morel sie auf ihre Kammer gebracht. Er war äusserst besorgt gewesen über ihren Zustand.
Danach hatte sie sich ganz besonders schäbig gefühlt. Anuschka war nicht so glimpflich davongekommen und nun verhöhnte sie sie mit dieser Art von Ausrede. Sie war hin- und hergerissen zwischen absoluter Wut, Hilflosigkeit, aber auch einem schlechten Gewissen, wie sie es seit Jahrzehnten nicht kannte.
Cathy erwidert nichts als es klopft. Erst als sie eine fremde und männliche Stimme hört schreckt sie etwas auf. Das ist nicht das Essen, keine Kollegin und auch nicht Morel.
„Ja?", ruft sie fragend mit belegter Stimme.
Monsieur Gabin tritt ein und macht gleich wieder einen Schritt zurück.
„Madame? Ich... soll ich draussen warten? Oder sind sie bettlägerig?"
„Kommen Sie bitte herein. Ich... stehe nicht auf. Kommen Sie herein."
Cathy spricht leise, ihre Stimme klingt zerbrochen in diesem Moment. Sie wundert sich dass ihre Stimme nicht versagt. Jetzt war die Polizei doch gekommen. Sie sollten sie am besten gleich mitnehmen. Besser es würde hier und heute enden.
Monsieur Gabin betritt die Kammer. Er schaut sich etwas betreten um und fragt: „Soll ich kurz lüften, Madame?"
Cathy ist zu schwach um sich zu schämen und sie nickt. „Danke sehr, Monsieur..."
„Gabin. Monsieur Gabin. Pariser Polizei. Sie erinnern sich an mich?"
„Ja. Ich wusste... nur der Name war mir entfallen, Monsieur." Sie setzt sich im Bett auf und schaut den dicken, gemütlichen Mann an.
Gabin zieht einen Stuhl heran und setzt sich ans Bett.
„Geht es Ihnen gut, Madame? Was ist passiert? Beim letzten Mal waren Sie noch wohlauf, von den Kratzern abgesehen."
„Schon gut, es ist nichts. Nur ein... Nervenzusammenbruch oder so etwas. Ich weiss nicht... ich verstehe nichts davon. Aber morgen geht es mir sicher wieder gut."
Gabin nickt und betrachtet Cathy. Selbst jetzt sieht Cathy noch zum Anbeissen aus, denkt er in diesem Moment.
„Ich bin gekommen, um Ihnen ein paar Fragen zu stellen. Es dauert nicht lang."
„Bitte fragen Sie, Monsieur Gabin." Cathy nickt nur.
„Ist Ihnen noch etwas zur Täterbeschreibung eingefallen, Madame? Es gab mittlerweile noch so einen Fall und dieses Mal...", Gabin macht eine kleine Pause, „dieses Mal ist ein Mensch gestorben. Ein junges Mädchen, so wie Sie. Bestimmt war es derselbe Täter."
Cathy schluckt und schüttelt den Kopf. Mit echtem Bedauern in der Stimme antwortet sie:
„Leider nicht. Ich habe mir den Kopf zermartert als ich davon las. Ich hätte sehr gern verhindert dass sich das wiederholt, aber ich habe den Mann wirklich nicht erkennen können. Ich würde Ihnen alles sagen... alles!"
Gabin nickt leicht betrübt, sicher konnte der ansonsten recht fröhlich wirkende Mann diese Mimik sofort abrufen wenn sie gebraucht wurde.
„Natürlich, Madame. Es ist eine Schande. Wir wollen nur froh sein dass Sie relativ heil davongekommen sind. Sie verstehen schon... im Gegensatz zu dem..."
Cathy nickt überdeutlich – ein Zeichen dass er nicht fortfahren muss, nicht fortfahren soll.
„Dann noch eine Frage, Madame. Ist es möglich, dass Sie der Polizei vor Ort den Namen der Toten gesagt haben? Und dass Sie auch wussten wo sie gerade wohnt, nämlich hier im Hotel?"
Cathy hatte nicht damit gerechnet, aber sie war ja bereits in Alarmbereitschaft versetzt. Sie hatte viel zu viel mit der Polizei zu tun – mehr als ihr lieb sein konnte.
„Wie kommen Sie darauf, Monsieur Gabin?"
„Nun, ein Mädchen auf welches Ihre Beschreibung passt, hat dem Polizisten vor Ort diese Information gegeben. Wir haben gehofft dass Sie es waren. Das würde eine wichtige Lücke in unseren Ermittlungen schliessen."
Cathy schüttelt genauso bedauernd den Kopf.
„Nein, das war ich nicht. Ich war... im Bett, nehme ich an. Oder ich war kurz draussen und habe mir eine Schachtel Zigaretten geholt. Im Park war ich nicht mehr seitdem. Das können Sie sicher verstehen, Monsieur Gabin."
„Das kann ich sehr wohl verstehen, Madame O'Brien. Nun, ich wollte es zumindest gefragt haben."
Er steht nun auf und zieht sich seinen Anzug gerade der natürlich an einigen Ecken etwas spannt.
„Ich verabschiede mich wieder, Madame. Bitte ruhen Sie sich aus. Und ich lege Ihnen hier meine Karte hin. Rufen Sie mich bitte an wenn Ihnen noch etwas einfällt. Es ist wichtig."
Cathy nickt wieder, ihr Kopf tat weh vom vielen Nicken.
„Danke, Monsieur. Ich hoffe, Sie finden dieses... Schwein!"
Jetzt lächelt auch Cathy, zum ersten Mal. „Paris ist wunderschön. Das vergesse ich nie, Monsieur Gabin."
Kapitel 8, Episode 14
von Alina am 08.12.2021 16:05Paris Pigalle hôtel de passe
Le mardi 5 novembre 1968
Quelle des Bildes
Der rote Lichtschein fällt in schrägem Winkel ins Zimmer, die Laterne hängt ziemlich genau neben dem Fenster. Es konnte kaum klischeehafter wirken. Monsieur Gabin hatte das Stundenhotel bezahlt nachdem er sich zum wiederholten Male mit Cathy getroffen hatte und sie Interesse signalisiert hatte. Sie hatte seine bewundernden Blicke damit erwidert dass sie sich auf die Unterlippe biss, ihm zuzwinkerte und über seine Witze lachte. Cathy hatte dieses Treffen so geplant denn der ermittelnde Polizist rückte ihr zu nah auf die Pelle.
Er windet sich und seufzt glücklich. Unter seinem dicken, weissen Bauch hatte Cathy ein Schwänzchen gefunden bei dem sie fast das Bedürfnis hatte es zu trösten. Sie ging davon aus, dass Gabin schon längere Zeit auf Prostituierte zurückgriff denn er war nicht verheiratet. Auf allen Vieren beugt sie sich über seinen Schoss und lutscht den kleinen Schwanz mit der gebotenen Leidenschaft, um Gabin gerade an nichts anderes denken zu lassen als an sie.
Monsieur Gabin hatte sie ja vor zwei Tagen in ihrem Zimmer aufgesucht. Danach hatte sie ihn direkt angerufen nachdem er wieder aufs Revier zurückgekehrt war. Sie hatte darum gebeten ihn noch am gleichen Abend wieder zu treffen. Es kostete sie viel Zeit und Überwindung sich so zu schminken dass sie nicht wie ein Wrack aussah. Dann hatten sie sich in einer kleinen Bar getroffen, in der Rue de Grenelle. Dort hatte Cathy ihm unter Tränen gestanden dass sie sich als Shauna McMahon ausgegeben hatte und sie hatte ihn gebeten diese Information zu vergessen. Gabin war ein Polizist und sie wusste dass sie schwere Geschütze auffahren musste um ihn dazu zu veranlassen. Natürlich erklärte sie sich, sie redeten sicher eine Stunde – aber beide wussten, dass es keine Argumente waren die ihn endgültig überzeugen würden. Auf seine Frage hin ob sie noch woanders hingehen wollten, bat Cathy ihn um einen oder zwei Tage Geduld. Sie wollte sich erst erholen und wieder zu Kräften kommen und das sah Gabin natürlich ein.
Sie hatte ihm erklärt dass sie ohne das Wissen ihrer sehr wohlhabenden Familie in Frankreich war und deshalb fast panische Angst davor hatte irgendwo aktenkundig zu werden. Natürlich war das riskant und sie konnte nicht ausschliessen dass Gabin nicht doch irgendwann anfangen würde zu recherchieren. Wichtig war nur dass er bis zu seinem Tode nicht dazu kam – weil er damit beschäftigt war grunzend seinen Samen in Cathys Mund zu spritzen. Genau das tut er gerade denn Cathy hatte darauf gesetzt dass ihn ihr Mund besonders verrückt machen würde, vor allem der Augenkontakt den Cathy immer wieder aufgenommen hatte. Ihre Katzenaugen hatten ihn bereits vorher schon süchtig gemacht, das wusste sie.
Sein Bauch gluckert und wabbelt als er kommt und Cathy stöhnt leise, simuliert ihre eigene Erregung. Wenn Gabin es gewohnt war zu Prostituierten zu gehen, dann mochte er sicher ein schönes Schauspiel. Sie schluckt seinen Samen herunter und lässt ihn dabei zusehen und dann küsst sie sein Schwänzchen mehrere Male und leckt sich dann sogar noch grinsend die Finger ab. Auch Gabin grinst wie ein Honigkuchenpferd. Dann schmiegt sie sich in seine Arme.
„Du bist wie gemacht für Paris, meine Liebe", sagt Gabin, noch etwas ausser Atem. Cathy schmunzelt und spielt mit seinen Brusthaaren.
„Sehen wir uns denn wieder, Cathy?", fragt er. Cathy sieht zu ihm auf und nickt lächelnd.
„Ich weiss, du erwartest einen Gefallen von mir. Und es war sehr schön. Ich würde dich sehr gern wiedersehen, Cathy."
Sie versucht so gleichgültig wie möglich zu wirken.
„Natürlich sehen wir uns wieder. Ich habe keinen Freund hier, ich arbeite fast immer. Und ich mag... Daddies." Sie grinst ihn schelmisch an und küsst seine Brust.
Auch Gabin grinst zufrieden. Wenn es um das Bauchpinseln ging, noch dazu von einer schönen Frau, dann wurde auch der schärfste Ermittler oft ein zahmer und auch blinder Idiot.
Gabin steht auf, zieht sich an und legt Geld auf den Tisch. Cathy winkt ab aber er sagt:
„Nimm es ruhig, es war wirklich bezaubernd. Kauf dir etwas Schönes. Hauptsache, wir sehen uns wieder, liebe Cathy."
Cathy nickt und lächelt ihn dankbar an. Das war ein gutes Zeichen. Damit zeigte er dass er den Gefallen des Stillschweigens nicht so hoch wertschätzte wie sie. Und somit vermutete er wohl keine Betrügerin oder gar Mörderin hinter ihrem hübschen Gesicht. Sie wirft ihm einen Luftkuss zu, bevor er die Tür hinter sich zuzieht.
Kapitel 8, Episode 15
von Alina am 09.12.2021 20:35Lyon, Bureau de Interpol
On est en février 1969
„Es ist ganz natürlich, dass sich die Situation verändert. Das ist der Lauf der Dinge. Wir müssen nur einen Weg finden uns auf diese neue Situation einzustellen. Das ist alles."
Donahan klingt fast gelangweilt – jedenfalls regte ihn das Gespräch in keinster Weise auf. Er hatte die Gelassenheit eines Mannes, der in die Jahre gekommen war und der seine Schäfchen ebenfalls im Trockenen hatte.
Natürlich hatte Donahan nicht nur am Fall „Cathy Hasselmann" gearbeitet sondern auch andere Artikel geschrieben. Er war Journalist und Redakteur seiner Abteilung und hatte ein gutes Auskommen. Die Nebeneinnahmen der Stiftung waren auch nicht zu verachten; auch wenn natürlich einen dicken Batzen des Geldes an Evans überwiesen hatte damit er am Ende des Jahres etwas vorweisen konnte. Seine eigenen Ermittlungen waren ebenfalls wichtig, aber recht übersichtlich, sogar dürftig im Gegensatz zu den Ergebnissen von Evans.
Die Stiftung hatte die Änderungen erst für das Jahr 1969 in Kraft treten lassen, sie forderten kein Geld zurück weil die Agentur von Evans nicht das ganze Jahr hindurch über an dem Fall gearbeitet hatte. Das waren wohl keine nennenswerten Beträge für die Leute die hinter dieser Stiftung standen.
Der Tod von Evans und die Aufgabe der Agentur waren aber nicht die einzigen Änderungen. Der Anwalt hatte zum ersten Mal Desinteresse signalisiert die Stiftung noch viele weitere Jahre weiter bestehen zu lassen. Es gab eine neue Generation von Angehörigen die den Vater, Grossvater und vielleicht schon Urgrossvater nicht mehr in dem Maße vermissten dass sie Vergeltung unter allen Umständen wollten. Seit 50 Jahren gab es keinen Erfolg. Donahan hatte es nicht gewundert. Wahrscheinlich war es sogar für eine extrem reiche Familie ärgerlich weiterhin Geld in einem bodenlosen Fass zu versenken.
Tatsächlich war das anfangs eingelegte Vermögen der Stiftung nahezu aufgebraucht. Donahan wunderte es dass es 50 Jahre lang gehalten hatte; es musste in etwa eine Viertelmillion Dollar gewesen sein – eine wahnsinnig hohe Summe in den Zwanziger Jahren. Und obwohl die Erben des restlichen Vermögens „für alle Zeiten", so ein Zitat des Anwalts, verpflichtet waren ihr Vermögen so einzusetzen dass die Stiftung bestehen bleiben würde bis der Mörder gefunden war, so wollten die neuen Erben nichts mehr von dieser Verpflichtung wissen. Es hatte wohl Streit gegeben und der Anwalt, der ja auch vom Fluss des Geldes profitierte, hatte sich wohl durchgesetzt aber es lag kein langfristiger Segen mehr auf dieser Quelle. Der Anwalt hatte Donahan keine grossen Hoffnungen gemacht. Die Familie würde einen Weg finden den Geldhahn zuzudrehen.
Es ging noch immer um 5.000 Dollar. Keine hohe Summe mehr wie im Jahre 1941, aber auch nicht zu verachten da Evans und Doyle ja nun wegfielen.
„Wir müssen nicht über das Geld sprechen, Clint", sagt Hill und räuspert sich. „Ich darf gar kein Geld von aussen annehmen – nicht für eine Arbeit für die ich bereits bezahlt werde und die mit Interessen am Fall verbunden sind... auch wenn das in diesem Falle unlogisch klingt."
„Das dachte ich mir schon. Ich habe einen kleinen zusätzlichen Pensionsfond für Sie eingerichtet. Ich werde tausend Dollar jährlich darauf einzahlen solange das Geld noch sprudelt. Es läuft auf Ihren Namen, wirft Zinsen ab und Sie wissen nichts davon. Was Sie nicht wissen können Sie auch nicht ablehnen."
Beide lachen leise und dann sagt Donahan:
„Zurück zum Fall. Ich habe Ihren Bericht bekommen und... diese Sache mit dem Telefonat, sie kommt natürlich gerade recht aber auch zu einem verdächtigen Zeitpunkt. Die Familie könnte denken wir wollten sie mit einem fingierten Anruf dazu bringen weiterzuzahlen. Aber gut, das ist nicht zu ändern. Geizhälse brauchen keinen Grund um Zahlungen einzustellen."
Er machte eine kleine Pause.
„Aber ich schweife bereits wieder ab. Die Sache ist sehr verstörend. Mister Hasselmann berichtete, die Stimme klang sehr jung, fast mädchenhaft. Das ist nicht ungewöhnlich, besonders am Telefon, aber es ist auch eine Bestätigung unserer These dass wir es noch immer mit einer jungen Frau zu tun haben. Was für eine gottverdammte Scheisse läuft da? Das frage ich mich..."
„...seit über 30 Jahren, ja", vollendet Hill Donahans Satz. „Ich frage mich das auch und ich habe schon einen Plan." Dann lächelt er stumm und auch Donahan sagt nichts.
„Ich würde mich gern wieder bei Ihnen melden, Clint. Sagen wir Mitte des Jahres. Dann weiss ich, ob mein Plan funktioniert hat oder nicht."
„Sehr gern, Rolf." Wenn ein Amerikaner seinen Namen aussprach, hörte sich das oft so an wie ein wölfisches Bellen.
Kapitel 8, Episode 16
von Alina am 10.12.2021 16:35Paris L'amphithéâtre Richelieu,
au cœur de la nouvelle Sorbonne de Nénot
On est en février 1969
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Die 'Société française de philosophie' hatte zu einem ihrer vierteljährlichen Vorträge eingeladen. Gast war heute der Philosoph Michel Foucault, der einen Vortrag darüber halten wollte was genau ein Autor sei. So jedenfalls hiess der Titel und Cathy kam er bekannt vor.
Sie hatte Glück gehabt. Sie hatte ein wenig recherchiert und versucht etwas mehr über Foucault herauszufinden. Er lehrte in Paris und Cathy entdeckte im Universitätsgebäude ein Plakat wo dieser Vortrag angekündigt wurde. Gerade noch rechtzeitig denn der Vortrag fand nur zwei Tage später in der Sorbonne statt.
Der Vortrag war unfassbar langweilig gewesen. Cathy hatte kein einziges Wort verstanden. Nun wusste sie was im Kopf des Professors los war und für sie lag es jenseits aller Vorstellungskraft, wie man so ein Geschwurbel jemals verstehen sollte. Sie hatte das Gefühl, selbst zweihundert Jahre auf dieser Welt würden sie nicht dazu befähigen, auch nur einem Satz des Mannes zu folgen der sich über "ihr gemeinsames Thema" geäussert hatte. Sie erkannte ihre eigene Kritik an Barthes' These nicht wieder, aber sie freute sich dass der Vortrag einen so einfachen Titel trug – einen Titel, bei dem er an sie gedacht haben musste. Anders war es nicht zu erklären.
Sie wusste nicht ob der Mann am Pult sie gesehen hatte. Er schielte ja ganz aussergewöhnlich und Cathy sass wirklich weit hinten. Aber als er seinen Vortrag beendet hatte und die Zuhörer aufbrechen, da drängelt sie sich nach vorn.
Beinahe hätte er sie nicht gesehen, noch im Verlassen des Raumes sieht er sie aus den Augenwinkeln. Sie winkt, auch wenn einige Studenten sie verwundert ansehen. Er bleibt stehen und lächelt. Er winkt sie etwas heran, tritt einige Schritte zur Seite und winkt ab als andere Zuhörer ihn ansprechen wollen. Sie sind nicht allein aber sie stehen immerhin etwas abseits. Er gibt ihr die Hand.
"Nun, das ist ja eine Überraschung. Sie hier... das hätte ich nicht erwartet, Madame."
"Ich auch nicht." Cathy lacht. "Ich habe übrigens kein Wort von dem verstanden was Sie da gesagt haben. Wenn Sie es verstecken wollten zu sagen dass ich Recht hatte, dann ist Ihnen das gelungen."
Nun lachen beide. Foucault scheint es nicht im Geringsten zu stören, was sie da sagte.
"Nun, ich habe Ihre Gedanken weiter verfolgt, Ihre Kritik fortgeführt und bin zu diesem Ergebnis gekommen."
Cathy schmunzelt noch immer. "Schon gut, ich... habe mich einfach gefreut Sie wiederzusehen. Es ist nicht schlimm dass ich nicht viel verstanden habe. Der Besuch hat sich für mich gelohnt."
"Für mich auch, Madame. Bitte, nehmen Sie mein Skript. Vielleicht wollen Sie es nochmal lesen. Es gibt noch kein Buch darüber, ich bin auch nicht sicher ob ich es veröffentlichen werde."
Cathy bekommt einen Loseblattsammlung in die Hand gedrückt.
"Brauchen Sie das nicht noch, Monsieur?", fragt sie verdutzt.
"Nein, ich habe es abtippen lassen, nur für heute Abend. Mein Original bringe ich nie zu Vorträgen mit. Wie leicht verliert man es? Wie einen Notizblock – das wäre schade, oder?"
Beide lächeln und Cathy nickt. Sie denkt kurz an die wunderschöne Überfahrt zurück.
„Ich werde es hüten wie einen Schatz." Sie drückt die Blätter an ihre Brust und eine andere junge Frau die sie beobachtet wird fast gelb vor Neid.
„Ich muss nun weiter, ich bin noch eingeladen. Kommen Sie zurecht?"
„Oh, natürlich Monsieur." Sie gibt ihm die Hand und schenkt ihm ihr schönstes Lächeln, ihre Grübchen bezaubern ihn in diesem Moment, das sieht sie ihm an."
„Feiern Sie schön und... falls Sie es nicht veröffentlichen, tue ich es!" Sie wedelt mit den Blättern und winkt ihm, während sie sich in die andere Richtung aufmacht um den Saal zu verlassen.
Draussen sieht sich Cathy den Stapel Blätter an. Die meisten Menschen waren ihr herzlich egal, aber in diesem Moment fühlt sie, dass sie unwürdig ist dieses Werk zu besitzen. Sie fragt einen jungen und sehr gutaussehenden Mann ob er den Vortrag gut gefunden habe. Er nickt euphorisch und sagt, dass Foucault für ihn eine Koryphäe sei. Für Cathy klingt es als wäre es etwas Gutes und sie schenkt ihm das Skript.
Auf die verblüffte Frage, wie er Cathy danken kann, fragt sie ihn ob er sie gern auf einen Wein einladen möchte. Er hatte Lust – so wie Cathy Lust auf einen jungen Mann hatte. Er sollte nicht sterben, sonst wäre das Geschenk ja sinnlos gewesen. Aber er würde sie befriedigen müssen, mit der sexuellen Ungestümheit die sie von jungen Franzosen kannte und sehr schätzte.
Kapitel 8, Episode 17
von Alina am 11.12.2021 15:05Paris lieu inconnu
On est en mars 1969
Die Beerdigung von Gabin lag schon einige Tage zurück. Endlich war er doch gestorben und zwar an einer sehr plötzlichen Lungenentzündung. Er hatte sich wohl einen Infekt eingefangen, dann war es ihm schnell schlechter ergangen und schliesslich kam noch eine Lungenentzündung dazu. Er hatte noch zwei Tage im Krankenhaus um sein Leben gerungen und war dann verstorben.
Cathy wusste es so genau weil sie die Familie angerufen hatte und sich als eine Kollegin ausgegeben hatte. Es tat ihr nicht leid dass er tot war. Sie konnte jetzt wieder aufatmen. Aber es war schon ein wenig schade um ihn. Er war kein schlechter Mann gewesen. Er war grosszügig gewesen und hatte wohl sein Wort gehalten. Martin war nie auf sie zugekommen was sie sehr gewundert hatte.
***
Nun aber sitzt sie einem gefesselten Mann gegenüber, Sie löst seinen Knebel und sieht ihn an. Der Mann schimpft nicht mehr aber er schaut Cathy mit schmerzverzerrtem Gesicht an. Sie lächelt nur – kalt wie nur sehr wenige Menschen sie kennengelernt haben. Eine nackte Glühbirne taucht den Kellerraum in ein fahles Licht. Sie überhört sein Stöhnen. Er musste ein paar tüchtige Beulen haben denn sie hatte ihn vom Erdgeschoss des Hauses in den Keller gezerrt, vor allem an den Beinen.
„Ich werde dich das nur einmal fragen. Hast du am 1. November diese Studentin im Park umgebracht, oder nicht?"
Sie zückt ein Messer und zeigt es ihm. Der Mann spuckt nur neben sich auf den Boden.
„Falls ich dir nicht glaube, schneide ich dir gleich die Kehle durch. Und wenn ich dir glaube, dann liefere ich dich der Polizei aus und die soll es untersuchen. Aber du wirst mir die Wahrheit sagen. Ich werde sehen ob du lügst. Du hast nur eine Chance, wirklich nur eine."
Der Blick des Mannes beginnt zu flackern. Cathy konnte sehr überzeugend sein, fast dämonisch leise spricht sie zu ihm, beschwörend aber nicht bittend. Ihre Stimme klingt sehr bedrohlich in diesem Moment.
„Warum wollen Sie das wissen, Madame?" Er spielt auf Zeit – ein gutes Zeichen, denkt Cathy.
„Ich bin Polizistin und ich arbeite seit fast fünf Monaten an dem Fall. Er geht mir sehr nahe. Ich werde ihn heute aufklären. Und falls Sie es waren, kommen Sie hier nur mit einem Geständnis wieder heraus. Sie werden dafür verurteilt werden – oder hier sterben."
Der Mann lässt den Kopf sinken. Es vergehen einige Minuten. Cathy hat Zeit.
„Ja, ich war es. Sie hat um sich geschlagen wie eine Irre. Ich habe sie nicht vergewaltigt. Ich wollte sogar wegrennen als ich merkte dass sie so verrückt reagiert. Aber sie schrie, sie schrie so laut. Ich habe ihr die Hand vor den Mund gehalten, sie hat hineingebissen. Sehen Sie?"
Er zeigt ihr eine verheilte Narbe an der Hand.
„Ich habe wohl zu fest zugeschlagen. Sie fiel um wie ein Sack und blieb regungslos liegen. Sie ist mit dem Kopf auf eine Wurzel geschlagen, der Boden war sehr uneben dort im Gebüsch."
Cathy winkt ab, sie kann nicht mehr weiter zuhören.
„Anuschka hiess das Mädchen – falls du Schwein das nicht wusstest. Und ich habe sie geliebt. Und ich bin auch keine Ermittlerin. Ich bin dein Ende, du mieses Schwein."
Dann zieht sie das Messer über seine Kehle, von vorn, wie ein Schwerthieb. Er schaut sie mit grossen Augen an, wie ein Fisch der plötzlich an Land liegt und japst. Dann spritzt Blut aus seinem Hals; Cathy geht langsam in Deckung – zu langsam, aber das ist nicht schlimm. Sie will sein Blut auf ihrer Haut spüren bevor sie den Dreck wieder abwaschen und so mit der Sache abschliessen würde.
Sie schaut ihm zu wie er verblutet und tritt dann so heftig gegen seinen Körper dass er mit dem Stuhl umfällt an dem er festgebunden ist.
Es war nicht gerade leicht gewesen den Mann zu finden. Ein Privatdetektiv hatte mit einer Handvoll Leuten den Park Tag und Nacht beobachtet. Das hatte eine schöne Stange Geld gekostet. Dann im März endlich hatte es einen Erfolg gegeben. Da Cathys Anweisungen klar waren, musste eine Hilfskraft des Detektivs dabei zuschauen wie eine Frau vergewaltigt wurde und dann den Mann unauffällig verfolgen. Es gelang vor allem weil zu der Zeit drei weitere Hilfskräfte im Park anwesend waren. Die ersten paar hundert Meter rannte der Mann und konnte nur mithilfe der Kommunikation mittels Funkgeräten von einem Kollegen weiterverfolgt werden. Alles weitere war kein grosses Problem mehr gewesen. Die Hilfskräfte nahmen ihre Arbeit ernst denn Cathy hatte neben den Kosten und Spesen bei Erfolg auch eine hohe Belohnung ausgelobt.
Nachdem sie die Adresse und den Namen hatte, hatte sie den Mann dann auf eigene Faust weiterverfolgt, beschattet und dann versucht ihn kennenzulernen. Dann war er ihr ins Netz gegangen. Sie hatte mit ihm geschlafen und ihn dann anschliessend betäubt. Sicher hätte sie ihn auch verrecken lassen können oder eben warten bis ein Unfall ihre Arbeit tat, aber diese Sache war persönlicher Natur. Und sie konnte damit das schlimme Gefühl eines schlechten Gewissens überdecken, den Tod Anuschkas durch ihre eigene Lüge vorweggenommen zu haben. Bei jemandem wie Cathy die an Schicksal und Verdammnis glaubte, musste so ein wahr gewordener Alptraum zwangsläufig zu einem schlechten Gewissen führen. Aber nun hatte sie ihre Schuld getilgt – zumindest sieht sie es so. Trotzdem spürt sie eine tiefe Trauer. Sie verlässt den Kellerraum und schliesst ihn ab. Wenn es nach ihr ging, sollten die Ratten den Kerl auffressen bevor irgendjemand irgendwann nur noch seine Knochen finden würde.
Kapitel 8, Episode 18
von Alina am 12.12.2021 14:04Paris lieu inconnu
On est en juillet 1969
Quelle des Bildes (bearbeitet von Alina)
Cathy sitzt in ihrer versteckten Wohnung, irgendwo in Paris, die sie eigens zum Zwecke angemietet hatte um den Mörder von Anuschka zur Strecke zu bringen – natürlich unter falschem Namen. Sie hatte sowieso alles per Brief und Telefonaten erledigen können, die Vermieterin hatte sie nicht einmal zu Gesicht bekommen. Alles war einfacher wenn Geld keine Rolle spielte.
Die Wohnung hatte sie zunächst behalten denn sie hatte kurz nach Gabins Tod gekündigt und das Marriott verlassen. Vielleicht hatte Gabin doch mehr gewusst oder nicht dicht gehalten und dann würde ein neuer Ermittler kommen – und der würde vielleicht kein Auge mehr zudrücken. Alles nur Vermutungen, aber sie konnte sich kein Risiko mehr erlauben.
Oben wohnten noch andere Familien, der Keller aber war klein und gehörte nur ihr. Die Leiche war somit kein Problem; sie hatte ausserdem mehrmals einen halben Sack Kalk über den Körper geschüttet.
Und nun würde sie die Wohnung doch verlassen. Die Zeit in Paris neigte sich ihrem Ende entgegen. Sie spürte so etwas jetzt früher als in der Vergangenheit. Es ist der letzte Tag, die Wohnung sieht noch genauso aus wie vorher. Sie würde alles hier zurücklassen. Sie hatte sogar die Miete noch zwei Monate im voraus bezahlt damit niemand bemerken würde wie lange sie schon weg war. Auch das Telefon funktioniert noch. Vor ihr liegt eine Ausgabe der 'Le Parisien' und sie kaut auf ihrer Unterlippe während sie die Annonce immer wieder liest.
Dann beisst sie die Zähne zusammen und wählt die Nummer. Es tutet und es knackt immer wieder in der Leitung. Die Spannung ist nahezu unerträglich, ihre Hände zittern. Dann ein weiteres Knacken, es klingt anders; dann hört sie eine sanfte männliche Stimme:
„Ja, bitte?"
Cathy schweigt und sie hört das leise Atmen des anderen. Cathy schluckt einen Klos hinunter.
„Wer ist da?"
„Hasselmann. Hier spricht Dieter. Dieter Hasselmann. Wer ist da, bitte?"
Die Art, wie der Mann seinen Vornamen aussprach, das war typisch für deutsche Einwanderer. Es wunderte sie nicht dass ihre Familie noch immer deutsche Vornamen wählte, vor allem für die Männer.
Cathy schluckt wieder.
„Hier ist... Cathy."
Schweigen an beiden Enden der Leitung.
„Hallo? Sind Sie noch dran?" Cathy verliert als erstes die Contenance.
„Ja. Ich bin noch dran. Ich... ich hätte nicht gedacht dass...", Cathy lauscht, aber der Mann spricht nicht weiter. Wieder Schweigen. Cathy denkt fieberhaft nach und legt ihre Stirn in Falten. Ihr Instinkt meldet sich. Hier stimmt etwas nicht. Ihr Stimme klingt leise:
„Wer sind Sie?"
Nach einem weiteren Moment des Schweigens sagt er:
„Bitte legen Sie nicht auf. Ich warte seit sehr langer Zeit darauf... mit Ihnen zu sprechen."
Cathy hält den Atem an. Ihre Vermutung ist richtig. Sie kneift ihre Augen zu engen Schlitzen zusammen. Dann sagt sie:
„Sie werden mich nie finden. Niemand kann mich je finden. Das wissen Sie ganz genau."
Sie hört wie am anderen Ende jemand tief ausatmet. Dann sagt die noch immer sanft klingende Stimme:
„Ich werde es aber versuchen. Das werden Sie verstehen. Wenn Sie nur wüssten, wieviele Fragen ich habe... es gibt so unendlich viele Fragen, Miss."
Wieder denkt Cathy nach. Bei einem Bullen musste sie sich jedes Wort ganz genau überlegen. Er würde jedes Wort auf die Goldwaage legen.
„Selbst wenn Sie mich finden, werden Sie es nie verstehen. Niemand kann das."
Wie konnte er auch? Sie würde nicht von ihren Stimmen im Kopf erzählen können, niemand würde ihr glauben. Im Gegenteil, man würde sie für verrückt halten. Die Stimme am anderen Ende sagt:
„Natürlich, Miss. Niemand kann das. Wenn Sie reden möchten... ich weiss, was man über Sie denkt und wenn Sie möchten dass ich versuche zu verstehen..."
Cathy lacht leise und schüttelt den Kopf. Was für ein erbärmlicher Versuch. Sie fragt stattdessen schelmisch:
„Wie ist ihr Name, Mister?"
„Ich heisse Hill... Interpol, Washington. Dort..."
Sie legt auf. Sie wusste nun genug. Als sie den Telefonhörer aufgelegt hat betrachtet sie ihre zitternden Finger.
Kapitel 8, Episode 19
von Alina am 12.12.2021 14:19Lyon, Bureau de Interpol
On est en juillet 1969
Es hatte lange gedauert dies vorzubereiten und es hatte noch länger gedauert bis es endlich genehmigt wurde. Der Staatsanwalt bestand auf eine detaillierte Auswertung der Metadaten. Und diese Auswertung lieferte einige Indizien hinsichtlich der gestiegenen Rate von Todesfällen, besonders im achten Arrondissement von Paris und in den angrenzenden Arrondissements ebenfalls.
Es war ein Schuss ins Blaue. Hill ging noch immer davon aus dass Cathy in Paris war. Das war zu diesem Zeitpunkt nur eine Vermutung. Sie konnte richtig sein aber Cathy konnte auch schon längst wieder weg sein. Es war ein Versuch wert.
Hill hatte eine Anzeige geschaltet in allen Pariser Zeitungen, die Annoncen veröffentlichten.
Cathy, bitte melde dich bei uns.
Familie Hasselmann
(00 1) 410 37849
Er hatte das Budget seiner Institution für diese Aktion in diesem Jahr aufs Letzte ausgereizt um diese Annonce wenigstens eine Woche lang zu schalten. Für eine zweite Woche fehlte ihm das Geld. Es war zugegebenermaßen nicht die Nummer die Cathy angerufen hatte, aber immerhin eine Nummer aus Baltimore. Eine Schalte sorgte dafür dass ein Beamter den Anruf zu Hill zurück nach Frankreich umleitete falls zeitnah jemand diese Nummer anrief. Dafür hatte er seinen ganzen Einfluss geltend machen müssen. Aber es war die heisseste Spur in fünfzig Jahren und er wollte diese Gelegenheit nutzen.
Hill nahm einige Anrufe von Spassvögeln an, zwang sich aber nach jedem Anruf wieder zur Konzentration. An ihm durfte es nicht liegen falls diese Aktion ohne Erfolg im Sande verlaufen sollte.
Kurz vor Feierabend klingt das Telefon. Hill knackt mit den Fingern und nimmt ab. Dann fragt er: „Ja, bitte?"
Stille, aber er kann ein leises Atmen hören. Dann fragt eine weibliche Stimme:
„Wer ist da?"
Hill sammelt sich, hier war Konzentration nötig. Das klang nicht nach einem Spassvogel.
„Hasselmann. Hier spricht Dieter. Dieter Hasselmann. Wer ist da, bitte?"
Er meint ein Schlucken zu hören – fest presst er den Hörer an sein Ohr während er gleichzeitig versucht mit dem Mund etwas Abstand zur Sprechmuschel zu halten. Die Anruferin sollte nicht sein Schlucken oder Atmen hören.
„Hier ist... Cathy."
Schweigen an beiden Enden der Leitung. Hill bricht der Schweiss aus. Sie war nicht die Erste, die sich so meldete, aber sein Instinkt sagt ihm dass es dieses Mal wirklich die Frau sein könnte, die er sucht.
„Hallo? Sind Sie noch dran?", fragt die Stimme, etwas lauter.
„Ja. Ich bin noch dran. Ich... ich hätte nicht gedacht, dass...", er bricht ab und muss sich selbst räuspern. Er wusste, dass im Hintergrund die Fangschaltung arbeitete. Jede Sekunde war wichtig.
Wieder Schweigen.
„Wer sind Sie?", die Stimme klingt leise und sehr misstrauisch.
Hill atmet neben dem Hörer tief ein und aus und hält dabei die Sprechmuschel zu. Dann sagt er:
„Bitte legen Sie nicht auf. Ich warte seit sehr langer Zeit darauf... mit Ihnen zu sprechen."
Endloses Schweigen . Hill weiss, dass jede Sekunde ein riesiger Gewinn ist. Jedes Wort aus ihrem Mund war für ihn mit Gold nicht aufzuwiegen. Sie beginnt wieder zu sprechen, gerade als Hill ebenfalls ansetzt.
„Sie werden mich nie finden. Niemand kann mich je finden. Das wissen Sie ganz genau."
Er atmet tief aus und verwirft den Satz, den er gerade sagen wollte.
„Ich werde es aber versuchen. Das werden Sie verstehen." Er schluckt. „Wenn Sie nur wüssten, wieviel Fragen ich habe... es gibt so unendlich viele Fragen, Miss." Er vermied es, sie 'Madame' zu nennen. Vielleicht war ihr nicht klar, wieviel er über sie wusste.
Grabesstille.
„Selbst wenn Sie mich finden, werden Sie es nie verstehen. Niemand kann das." Sie klingt abweisend.
Er ertappt sich dabei, wie er nickt. Er wusste von seinen Kollegen dass die wahren Irren das immer sagten. Er war fast ein wenig enttäuscht, dass ihr nichts Originelleres einfiel. Sicher waren es 'Stimmen im Kopf', die ihr Befehle gaben. Solche Menschen landeten in einer Psychiatrie statt in einem Gefängnis.
„Natürlich, Miss. Niemand kann das. Wenn Sie reden möchten... ich weiss, was man über Sie denkt und wenn Sie möchten, dass ich versuche zu verstehen..."
Ein leises Lachen.
„Wie ist ihr Name, Mister?"
„Ich heisse Hill... Interpol, Washington. Dort können Sie mich er-..."
Es klickt. Sie hatte aufgelegt.
ASU