Das Zimmermädchen [FSK18]
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Intermezzo 1, Episode 3
von Alina am 02.11.2016 22:30Baltimore, E Madison Street, 31th of May, 1903
Quelle des Bildes (bearbeitet von Alina)
Der Weg nach Hause war verstörend gewesen. Noch nie war er so verwirrt gewesen. Was im Dreiteufelsnamen war das gewesen? Schorsch wusste nicht mal, ob er Carl darauf ansprechen sollte oder nicht. Carl wusste sicher, was dort vor sich ging, aber es war ihm schleierhaft, warum er ihn dorthin geschickt hatte.
Aber die meiste Zeit über hatte er über Cathy nachgedacht. Wenn das Realität gewesen wäre, hätte er Cathy also geopfert, um ihr Leben zu retten? Das klang reichlich absurd. Und während er darüber auf dem Weg nach Hause nachgedacht hatte, war ihm die Ausweglosigkeit der Situation bewusst geworden. Dieser Humbug heute Nacht, das war sein letztes Ass im Ärmel gewesen. Der Doc hatte gesagt, dass es sich eher um Stunden als um Tage handeln musste. Als er zur Tür eintritt, hatte er bereits alle Hoffnung fahren lassen. Vielleicht war sie schon gestorben und er war nicht einmal zuhause gewesen.
Er geht ins Schlafzimmer. Seine Frau wacht am Bett, sie war auch eingenickt. Er geht zu ihr und weckt sie auf. Sie sieht zu ihm hoch und Schorsch sagt:
„Leg dich drüben etwas hin. Ich werde hier wachen." Inge sieht ihn etwas irritiert an, kommt langsam zu sich, dann schüttelt sie den Kopf. „Nein, ich bleibe hier. Sie braucht..."
„Geh rüber, Weib!" Schorsch hört sich selbst reden. Es war nicht das erste Mal, dass er so mit ihr redete, aber es geschah extrem selten. Inge sieht ihn erschrocken an und steht auf.
„Tu, was ich dir sage", sagt er in etwas ruhigerem Ton und sie verlässt den Raum.
Er beugt sich über sein Mädchen. Da liegt sie – seine kleine Prinzessin. Sie sah aus wie eine echte Deutsche. Schorsch beginnt sofort zu weinen und Tränen fallen auf die Decke, womit das Kind zugedeckt ist. Er erinnerte sich daran, wie er vor ihrer Geburt gezittert hatte, ob sie ein gesundes Kind werden würde, wie er bei mancher Fiebernacht an ihrem Bettchen gesessen hatte, obwohl er morgens früh in die Fabrik musste. Er erinnerte sich, wie er mit ihr gespielt hatte und wie sie herumgelaufen war und stolz seine Geschenke umhergezeigt hatte, die er ihr oft mitgebracht hatte. Er liebte sein Mädchen über alles.
Er küsst sie auf die glühende Stirn. Sie sieht schwach aus. Er muss die Hand vor ihr Gesicht halten, um noch Atem zu spüren. Das konnte nicht sein. Wie konnte Gott nur so etwas zulassen? Er sieht sie an und flüsterte dann: „IGISUM. IGISUM. IGISUM."
Soundtrack für diese Episode: My Dying Bride - Symphonaire Infernus et Spera Empyrium (Intro)
Intermezzo 1, Episode 4
von Alina am 03.11.2016 23:57Baltimore, E Madison Street, 1st of June, 1903
Quelle des Bildes
Schorsch war die ganze Zeit bei Cathy gewesen. Erst im Morgengrauen traute Inge sich, ihren Mann zu wecken, der auch eingenickt war. Sie sieht nach Cathy und wieder schnürt es ihr das Herz zusammen. Auch sie wusste, dass sie ihr Kind bald verlieren würde.
Sie tupft den Schweiss vom dem Gesicht des Kindes. Schorsch hatte in das Bettchen gesehen und war dann in die Küche gewankt. Er musste eine schreckliche Nacht gehabt haben. Inge sieht durch den Türrahmen, dass er den Kaffee trinkt, den sie ihm aufgebrüht hatte.
Als er zur Arbeit geht, setzt sich Inge wieder an das Bettchen und wacht über das Kind. Es ist ein Warten auf den Tod. Auch sie haderte mit ihrem Gott. Aber sie dachte auch an Abraham, der seinen Sohn Isaak opfern sollte und sogar dazu bereit war. Das hier war eine Prüfung Gottes und sie würde nicht verzagen.
Als der Doc gegen zehn Uhr morgens bei ihr vorbeikommt, geht sie kurz in die Küche, um ebenfalls einen Kaffee zu holen für sich und den Doc. Als sie wiederkommt, sieht sie in ein verblüfftes Gesicht des alten Mediziners.
„Was... ist denn hier passiert?" fragt er so verdutzt, dass ihn Inge anfangs erst gar nicht versteht.
„Was... soll denn hier passiert sein?" fragt sie ebenso verdutzt zurück.
Der Arzt untersucht Cathy weiter und Inge schaut dabei sprachlos zu. Dann endlich dreht sich der Mann zu ihr um und sagt: „Ihre Temperatur ist gesunken. Ihre Vitalfunktionen sehen besser aus. Ihr... geht es besser." Seine Stimme klang noch trügerisch, als würde er dem Braten nicht trauen und er würde sicherlich auch keine trauernde Mutter noch mehr quälen wollen, als bisher nötig gewesen wäre. Aber die Zeichen sind eindeutig. Entweder das war ein teuflischer Krankheitsverlauf und ihr würde es einige Stunden gut gehen, bis sie dann wirklich starb oder sie war auf dem Weg der Besserung.
Inge stürzt zum Bettchen und legt einen Finger auf die kleine Stirn. Cathy atmet auch anders, der Doc hatte Recht! Sie schlägt die Hände vors Gesicht und beginnt Freundentränen zu weinen!
Soundtrack für diese Episode: Ave Maria
Ausblick auf das vierte Kapitel
von Alina am 04.11.2016 14:44Hier ein kleiner Ausblick auf das vierte Kapitel, welches heute Nacht startet. Wo und zu welcher Zeit es spielt, darüber könnt ihr ja vielleicht anhand dieses Ausblickes spekulieren.
Ich wünsche euch viel Spass mit dem vierten Kapitel und ich wünsche euch auch bereits ein schönes Wochenende!
Kapitel 4 - Pazifik
von Alina am 05.11.2016 00:40„The Big E", Aircraft Carrier USS Enterprise, United States Navy
Rennell Islands, Solomon Islands, Pacific Ocean, 2000 miles northeast from Australia
28th of January, 1943, 1400 MT
4. Mr. Dempsey
Als Cathy an Deck ging, stach ihr sofort die Sonne ins Gesicht. Es war Januar und normalerweise war sie im Januar anderes Wetter gewohnt. Hier jedoch schien es Sommer zu sein. Ein Matrose hatte ihr das mal erklärt, aber es war ihr wieder entfallen, warum Sommer und Winter anderswo vertauscht waren. Eigentlich konnte es ihr auch gleich sein.
Sie kam sowieso nicht oft an Deck. Hier oben konnte man gar nicht ahnen, dass sich mehr als zweitausend Männer auf diesem riesigen Schiff befanden. Für sie war das auch kein Schiff, sondern eher eine fahrende Insel. Eine Fläche, fast so weit das Augen reichte, grösser als ein Football-Feld, dann da hinten die kleinen Flugzeuge. Es war gar nicht gern gesehen, wenn die Mädchen sich an Deck wagten, das brachte nur Unruhe, sagte man. Aber sie musste doch mal Luft schnuppern und ein paar Sonnenstrahlen abkriegen. Man wurde ja richtig schwermütig dort unten!
Dies hier war bisher ihre längste Reise und es war kein Vergnügungsausflug. Sie befand sich an Bord eines Flugzeugträgers der US Navy und soweit Cathy wusste, waren sie in der Nähe von Australien! Das musste man sich mal vorstellen – Australien! Die Jungs wollten den Japs gründlich die Tour vermasseln und bisher sah es wohl ganz gut aus.
Sie war im Oktober 1942 in Pearl Harbour an Bord gegangen, nicht ganz ein Jahr nach dem vernichtenden Angriff der Japaner, und hatte seitdem zwei Schlachten an Bord der USS Enterprise erlebt. Sie hatte natürlich nichts davon gesehen, wenigstens die Mädchen durften während dieser Zeit nicht an Deck. Aber während dieser Zeit herrschte ein Ausnahmezustand an Bord, den man auf jeden Fall permanent spürte.
Ausserdem wurde die USS Enterprise zwischendurch von zwei Bomben getroffen und musste sogar an Land repariert werden. Auch das musste man sich mal vorstellen! Zwei kleine Bomben und dieses riesige Ding konnte kaum noch weiterfahren.
Wie sie nach Pearl Harbour gekommen war, konnte sie nicht mehr genau nachvollziehen, jedenfalls nicht alle Stationen. Sie hatte New Orleans Hals über Kopf verlassen müssen, war nach Houston gefahren. Da war sie etwas geblieben, bis Jules sie mit nach San Francisco mitnahm. Das musste um die Jahreswende 1941/1942 gewesen sein, denn die Vereinigten Staaten waren dem Krieg gegen Deutschland und Japan beigetreten. Er musste nach San Francisco, denn von dort sollte er als Soldat bald in den Krieg ziehen. In seinem Einberufungsbefehl stand jedenfalls, dass er sich in San Francisco melden sollte.
Dort hatte sich Cathy dann auch entschieden, mit der 'President Grant' nach Hawaii zu fahren. Denn in San Francisco war etwas sehr schnell sehr schief gelaufen. Sie musste dort wieder weg und ganz fix. Von dort war es nur noch ein kleiner Schritt gewesen, bis sie die USS Enterprise betreten hatte. Sie musste verrückt gewesen sein!
Quelle des Bildes (bearbeitet von Alina)
Es war eines dieser Plakate gewesen, die Cathy gesehen hatte. Die Frauen wurden dazu aufgefordert, auch ihren Beitrag zu leisten und Cathy fand, dass das gar keine schlechte Idee war. Sie wusste, dass in Europa schon seit vier Jahren ein riesiger Krieg tobte und was Japan anging, nun ja, das würde sie auf einer Weltkarte wohl erst nach längerem Suchen finden, aber die Aussicht darauf, etwas vom Pazifischen Ozean zu sehen und vor allem nicht greifbar zu sein für eventuelle Häscher, das klang in diesem Moment sehr attraktiv.
Sie waren Cathy wohl auf den Fersen gewesen. Höchstwahrscheinlich war es nur die lokale Polizei, aber sie wusste es nicht genau. Sie würde sich nicht wundern, wenn das FBI mittlerweile auch involviert wäre. Sie zog eine Spur von mysteriösen Todesfällen hinter sich her und zwar quer durch die Vereinigten Staaten. Sie wunderte sich schon seit langem, dass niemand auf die Idee kam, diese miteinander in Verbindung zu bringen. Denn die meisten dieser Todesfälle ereigneten sich in den Hotels selbst, in denen sie auch arbeitete. Und schon damals in New York hatte man doch schon diesen Mister, wie hiess der Mann noch gleich der vom Balkon gestürzt war, in Verbindung mit dem Tod ihres Hausherrn in Baltimore gebracht. Was war seitdem geschehen? Es war eine Menge Zeit vergangen, aber die Polizei hatte anscheinend ihre Fährte wieder verloren.
Es war etwas betrüblich, dass sie wie eine Verbrecherin gejagt wurde, jedenfalls kam es ihr so vor. Dabei hatte sie doch nie... Sie stockte und ihr fielen dann erst eine, dann noch eine weitere Ausnahme ein. Aber das war doch immer Notwehr gewesen! Es waren Männer gewesen, die eindeutig zu viele dumme Fragen gestellt hatten. Warum konnte man sie nicht in Ruhe lassen? Wieso reichte es nicht, wenn sie ein oder zwei Mal sagte, dass sie die Herren nicht kennt? Es wurde nachgefragt und nachgebohrt und zwar so sehr, dass sie sich wirklich um ihre Sicherheit sorgen musste.
Sie hatte jedenfalls nie etwas Böses gewollt. Sie war nach New York gegangen, um selbständig zu werden und ein neues Leben anzufangen. Aber sie war nicht allein gegangen. In ihrem Kopf war sie niemals allein.
Sie denkt gerade nochmal an den ehrenwerten und dann verstorbenen Mr. Richards aus Baltimore, als die Luftschutzsirenen an Bord losheulen. Cathy schaut automatisch in den Himmel, genau wie alle anderen an Deck, aber sie kann nichts erkennen. Ein Arm legt sich nur ganz leicht um ihre Hüfte und als sie sich herumdreht, sagt ein junger Matrose:
„Sie sollten schnell unter Deck gehen, Miss. Hier wird es gleich schwer zur Sache gehen. Sie sollten sich in Sicherheit bringen." Er lächelte sie an und auch Cathy schmunzelte, bevor sie nickte und sich dann von ihm löste. Diese Jungs waren alle gleich!
Soundtrack für diese Episode: Django Reinhardt - Manoir De Mes Rêves
Kapitel 4, Episode 2
von Alina am 06.11.2016 02:25„The Big E", Aircraft Carrier USS Enterprise, United States Navy
Rennell Islands, Solomon Islands, Pacific Ocean, 2000 miles northeast from Australia
29th of January, 1943, 1830 MT
Quelle des Bildes
Der Alarm hatte sich als Fehlalarm herausgestellt. Es waren wohl Vögel gewesen oder was auch immer. Die Männer an Bord waren nervös. Natürlich kochte hier nichts so sehr wie die Gerüchteküche. Es gab keine Zeitung und kein Radio, also musste man sich anderweitig informieren. Cathy wusste längst, dass man nicht allzuviel auf diese Informationen geben sollte, aber es vertrieb natürlich die Zeit auf eine angenehme Weise. Aber es stimmte wohl, dass die Führung einen Angriff erwartete und daher eine defensive Stellung bezog. Die Japaner zogen hier Truppen zusammen und die Amerikaner taten dasselbe. Das war auch der Grund, warum die USS Enterprise in diese Gewässer verlegt worden war. Man konnte also nicht vorsichtig genug sein.
Cathy hatte sich noch am gestrigen Abend wieder mit dem jungen Matrosen unterhalten. Er hiess Shawn und war wohl am gleichen Tag an Bord gegangen wie Cathy auch. Er war etwas schüchtern, aber das störte Cathy nicht. Sie hatte sowieso nicht vor, Aufmerksamkeit zu erregen. Shawn war zuvorkommend und freundlich und hatte am Abend zuvor nicht einen einzigen Annäherungsversuch gewagt. Sie hatten sich zum Mittagessen wieder verabredet und auch das war nett gewesen. Normalerweise aß Cathy mit den anderen Frauen, aber es gab immer mal Ausnahmen von dieser Regel, die natürlich von den Tischnachbarn fast eifersüchtig zur Kenntnis genommen wurden.
Seit sie an Bord gegangen war, hatte es zwei Männer gegeben, die ebenfalls mit ihr gegessen hatten und mit denen sie sich getroffen hatte. Nur zwei Männer, das war recht wenig für diese ganze Zeit an Bord. Sie rechnete nach und kam auf mehr als drei Monate. Es war sehr wenig, aber hier draussen in der Stille diesen riesigen Ozeans war es anders als auf dem Festland. Sie hatte sogar nur diese zwei Männer eher aus einem Gefühl der Vorsorge getroffen. Sie hatte damit gerechnet, dass sich die Stimmen bald melden mussten, was sie aber nicht taten. Sie waren zwar immer präsent, aber unaufdringlich und leise. Sie wusste, dass die Stimmen auch ganz anders konnten! Und jetzt genoss sie fast die Ruhe die man ihr gab, die Pause die man ihr gewährte. Die vergangenen Jahre waren auch recht anstrengend gewesen.
Und so war sie gar nicht auf ein Abenteuer aus. Da kam ihr dieser junge und schüchterne Matrose gerade recht. Sie unterhielt sich einfach lieber mit Männern, als mit Frauen. Frauen waren neidisch, eifersüchtig, hinterhältig und noch dazu oft verbittert. Das war Cathy oft zu anstrengend und sie hatte auch kein Interesse daran, sich in einer Gruppe von Frauen durchzusetzen und dort zu behaupten. Sie war ohnehin bald wieder weg, da konnte sie sich auch gleich mit Männern unterhalten, die ihr gegenüber keine negativen Gefühle hegten, eher im Gegenteil. Es war einfach sehr viel einfacher und unterhaltsamer. Cathy war sich fast sicher, dass Frauen nur Freundschaften zu Frauen pflegten, wenn diese auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden waren und das auch nicht ändern konnten.
Ein Mann war bei Reparaturarbeiten von Deck gefallen und hatte sich beim Aufprall auf der Wasseroberfläche das Genick gebrochen. Die Bergungsmannschaft konnte den Mann zwar an Bord holen, aber nur noch dessen Tod feststellen. Es war der erste Mann gewesen, mit dem Cathy sich getroffen und mit dem sie auch verkehrt hatte an Bord. Niemand hatte dumme Fragen gestellt, aber Cathy fiel sofort der Nachteil des Schiffes auf: zwar konnte sie hier niemand erreichen, der vielleicht noch ein Hühnchen mit ihr zu rupfen hatte, aber sie konnte hier auch nicht weg, wenn die Dinge heikel werden würden. Vielleicht wussten die Stimmen das und liessen sie deshalb in Ruhe.
Das Abendessen lässt Cathy ausfallen, weil sie noch keinen Hunger verspürt. Sie hatte sich einen kleinen Vorrat angelegt, aus dem sie sich bediente, wenn sie ausserhalb der Essenszeiten Hunger hatte. Zwar hatte sie sich längst an den Rhythmus an Bord gewohnt, aber sie blieb einfach gern nachts etwas länger auf und aß dann noch etwas, bevor sie schlafen ging.
Sie ist gerade auf dem Rückweg vom grossen Speiseraum, weil sie sich wenigstens eine Kleinigkeit holen wollte, damit ihr Vorrat nicht zur Neige geht, als sie hinter sich Schritte hört, die sich schnell nähern. Die Gänge waren zwar klein, aber doch gross genug, dass man auch zu zweit aneinander vorbeigehen konnte. Sie dreht sich um und ein Mann läuft auf sie zu.
Cathy erkennt ihn sofort, es ist Sergio. Mit ihm hatte sie den Jahreswechsel verbracht, besser gesagt in seinen Armen. Um diese Zeit wurde jeder etwas melancholisch, der keinen Partner hatte. Auch wenn die verheirateten Frauen und Männer an Deck hier allein waren, so wussten sie doch, dass zuhause jemand auf sie wartete. Und die anderen fühlten sich ziemlich allein, besonders an Weihnachten und Silvester. Auf einem Schiff war dieses Gefühl viel stärker gewesen und hatte die ganze Stimmung an Bord getrübt oder zumindest beeinflusst. Da es viele junge Männer an Bord gab, gab es auch dementsprechend viele unverheiratete oder höchstens verlobte Männer, die aber dann trotzdem traurig wurden, weil sie grosse Sehnsucht hatten.
Cathy staunt etwas, denn sie hatte ihn seit ihrem Rendezvous nicht mehr gesehen. Obwohl es hier mehr als zweitausend Mann Besatzung gab, war das trotzdem ungewöhnlich.
„Cathy! Cathy..." Er bleibt stehen und grinst sofort wieder auf diese gewinnende Weise, wie sie ihn in Erinnerung hat. „Ich habe dich eben zufällig gesehen und... ich musste dir einfach folgen."
Cathy sieht ihn etwas misstrauisch an und sagt dann:
„Wo warst du denn die ganze Zeit? Du hast doch immer zur gleichen Zeit gegessen wie ich."
Sergio grinst weiterhin breit. „Ich habe im Loch gesessen. Bin auf Wache eingeschlafen und dann... 21 Tage Bunker."
„Du bist... auf der Wache eingeschlafen?" Cathy ist jetzt sogar etwas empört. Sergio fasst Cathy am Oberarm: „Ja, schon gut! Natürlich war das grosser Mist, aber... ich war 21 Tage in Einzelhaft, verstehst du? Ich hab' meine Strafe bekommen! Und jetzt reg' dich nicht auf, okay? Das steht dir nicht." Er stupst über ihre Nase und sie wehrt ihn mit gespieltem Ärger und einem Grinsen auf den Lippen ab.
Sergio schaut sich schnell um, dann greift er Cathy und drückt sie an sich. Er sieht Cathy tief in die Augen und sie kann seine aufgestaute Sehnsucht, die man wohl eher Gier nennen sollte, darin funkeln sehen. „Ich will dich, Cathy. Jetzt. Sofort."
Soundtrack für diese Episode: Demonic Whispers
Kapitel 4, Episode 3
von Alina am 07.11.2016 02:38„The Big E", Aircraft Carrier USS Enterprise, United States Navy
Rennell Islands, Solomon Islands, Pacific Ocean, 2000 miles northeast from Australia
29th of January, 1943, 1900 MT
Cathy drückt ihr Becken nochmal fest gegen seines, in einem Hohlkreuz, sodass er tief in sie eindringen kann. Er schnauft schwer, als wenn er endlich genug hätte. Sie hört sein schweres Schlucken und das unvermeidliche Räuspern, was man von sich gibt, wenn man wieder langsam in der Realität ankommt. Er steht hinter ihr, in einer winzigen Nische eines kleinen Wartungsraumes hält er sie fest mit beiden Händen umschlungen, seine linke Hand nahe ihres Bauches auf ihrer Hüfte liegend und die rechte Hand hält ihre Brust gepackt. Er fährt nochmal mit dem Daumen über ihren Nippel und streichelt ihn. Es ist Cathy fast zuviel, aber sie hält still, stöhnt selbst nur leise.
Sie hatten es eilig gehabt und Sergio kannte sich an Bord gut aus. Ihre Wahl war auf diesen Raum gefallen, weil er eine dicke Tür hatte, durch die man sein Schnaufen und ihre leisen Schreie nicht hören konnte. Doch man hört die Sirenen, die jetzt zu heulen beginnen und Sergio lässt sofort die Hände sinken, zieht sich aus ihr zurück und zieht sich sofort die Hose hoch. Das geht Cathy nun sogar etwas zu schnell – sicher wieder nur einer dieser dummen Fehlalarme. Sie war davon genervt. Sergio tätschelt ihren schweissnassen Rücken und sagt mahnend: „Zieh dich an, Cathy. Die gelben Teufel sind schon wieder auf dem Weg. Bring dich in Sicherheit!"
Cathy seufzt und nickt, bückt sich ebenfalls und zieht ihr Höschen wieder hoch. Sie dreht den Kopf und grinst Sergio trotzdem an. Sie streicht ein paarmal über ihre Kleidung und bringt sie etwas in Ordnung. Sie sollte gleich duschen gehen, nimmt sie sich vor.
Sergio öffnet die Tür und steht sofort am Geländer backbord unter dem Deck. Er reisst die Augen weit auf, aber es ist schon zu spät. Er öffnet den Mund und will schreien, damit wenigstens Cathy nicht... aber dann wird er von einer schweren Salve aus den Maschinengewehren eines sehr tieffliegenden japanischen Jägers getroffen, der knapp über dem Wasser auf das Schiff zurast. Erst im letzten Moment zieht der Jäger hoch und verhindert so, dass er voll unter das Deck in den Rumpf des riesigen Schiffes kracht.
Cathy will Sergio gerade folgen und richtet sich auf, als sie von draussen das unverkennbare Geräusch eines herannahenden Flugzeuges hört. Sie ahnt sofort, dass dies Gefahr bedeutet und sie lässt sich instinktiv fallen. Es ist keine Sekunde zu früh, denn dann bricht die Hölle los. Kugeln, Splitter und Teile von Sergio sausen und spritzen über sie hinweg und sie beginnt zu schreien. Dann das Heulen des Flugzeugs und sie kann direkt auf seine Unterseite sehen, als es hochzieht und innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde verschwunden ist wie ein böser Traum. Sie liegt halb auf dem Bauch, schliesst die Augen und legt die Hände über den Kopf wie ein Kind, welches nichts Böses mehr sehen und hören will.
Als sie die Augen nach einigen Augenblicken wieder öffnet, kann sie die Rufe, die Schreie, Maschinengewehrsalven, Flugabwehrgeschütze und sogar Explosionen über ihr hören. Auch dort oben ist die Hölle losgebrochen. Cathy zieht der metallische Geruch von Blut in die Nase,aber nicht nur das. Das hier ist der Tod und... der Geruch von aufgerissenen Gedärmen und Innereien. Sie wünscht sich, das nicht sehen zu müssen, aber sie richtet sich jetzt auf und blickt in Richtung Tür. Da liegt Sergio... oder was von ihm noch übrig ist. Es ist irgendwie nur der halbe Sergio, denn dort liegen nur die Beine, der Unterleib und... der halbe Oberkörper mit einem Arm dran. Der Kopf, die andere Hälfte des Oberkörpers und ein Arm fehlen auf eine wundersame Weise. Sie schluckt und würgt leise, sie hat das Gefühl, sich erbrechen zu müssen. Sie muss hier unbedingt raus!
Cathy wusste nicht mehr, wie sie es geschafft hatte, über den toten Sergio hinwegzusteigen. Sie läuft und läuft, fast die ganze Backbordseite entlang. Noch ein Tiefflieger, der die unteren Decks aufs Korn nimmt und sie wäre ebenfalls dem Tod geweiht. Und so läuft sie, so schnell sie kann. Sie hatte keinen Blick mehr zurück in den verwüsteten Raum hinter ihr geworfen. Sie war sicher, dass dorthin Sergios fehlende Teile geflogen und gespritzt waren. Sie selbst hatte kaum etwas abbekommen, aber es war genug, dass Cathy permanent mit ihrem Magen rang, ihr war speiübel. Und über ihr dröhnte die ganze Zeit ein Krach und Donnerschläge, die ihr so vorkamen, als müsste das Schiff, ja auch dieses riesige Schiff, jeden Moment sinken. Selbst trotz ihrer eigenen Misere betete sie auf dem Weg, dass diese guten Jungs an Bord ihre Arbeit gut machen würden. Sie wollte nicht sterben.
Soundtrack für diese Episode: Django Reinhardt - Rythme Futur
Kapitel 4, Episode 4
von Alina am 08.11.2016 04:52„The Big E", Aircraft Carrier USS Enterprise, United States Navy
Rennell Islands, Solomon Islands, Pacific Ocean, 2000 miles northeast from Australia
29th of January, 1943, 1930 MT
Quelle des Bildes
Cathy war in einen Teil des Schiffs geflohen, in dem sie sich nicht auskannte. Die Gänge sahen zu gleich aus: dunkel, an den Seiten oder der Decke liefen Rohre entlang, ab und zu eine verriegelte Stahltür an der Seite des Ganges. Eine Treppe nach oben an Deck zu nehmen traute sich Cathy nicht, sie wäre ja lebensmüde gewesen. Sie musste sich im vorderen Teil des Schiffes befinden, unter und kurz vor dem Bug. Zurück über die offene Backbordseite, war das eine Option? Sie hatte sich bereits wieder zurück orientiert.
Das Getose über ihr hörte sich dumpf an und sehr viel weiter weg, als es tatsächlich ist. Sie öffnet die Stahltür und späht hinaus. Der Krach trifft sie wieder wie eine Welle einen unaufmerksamen Surfer trifft und zunächst zurückwirft. Sie schliesst die Tür kurz wieder, atmet durch und reisst die dann wieder auf. Dann rennt sie los.
Cathy ist etwa hundert Yard weit gekommen, da gibt es einen so fürchterlichen Schlag genau über ihr, dass sie sich sofort auf den Boden wirft und die Hände fest gegen die Ohren presst. Sie schaut in Richtung des offenen Meeres und über ihr schiessen Trümmer ins Wasser, fast so schnell wie Projektile. Und wie in Zeitlupe rollt ein brennendes Wrack eines Flugzeuges über die Kante und stürzt genau vor ihren Augen ins Wasser. Cathy beobachtet es fassungslos, erkennt sogar die Zugehörigkeit des Wracks zur US Navy. Als das Flugzeug auf der Wasseroberfläche auftrifft, verursacht es eine Fontäne, die fast zurück auf das Deck spritzt. Auch Cathy bekommt eine schwere Dusche ab und ist klatschnass. Sie kann dabei zuhören, wie das Flugzeug gluckernd absäuft.
Sie bleibt noch einen Moment liegen, fassungslos und verängstigt. Diese dröhnende Hölle über ihr schien immer noch anzuschwellen, noch wütender zu toben anstatt sich langsam zu beruhigen. Das Schiff schunkelte auch viel mehr als vorher, obwohl der Wellengang nicht stärker geworden war. Die Erschütterungen der Explosionen verursachten das wohl. Cathy richtet sich halb auf und rennt dann aus einer Startpositionsstellung einer Olympialäuferin los, als wäre ein Knall für ihren Start gedacht gewesen.
Die ganze Backbordseite zurück und... igitt, auch an dem zerfetzten Sergio musste sie wieder vorbei. Sie springt mit einem Satz darüber hinweg. Ein Drittel des Weges lag noch vor ihr, dann würde sie die Dimensionen des Hecks erreichen und dort würde es wieder mit sehr viel besserer Deckung weitergehen. Sie sieht die rettende Stahltür schon vor sich.
Etliche Augenblicke später klatscht die erschöpfte Cathy mit ihrem Körper gegen die Stahltür. Ihr Griff an die Klinke rutscht erst ab, dann finden ihre nervöse Finger die Klinke doch, nur um entsetzt festzustellen, dass die Tür verschlossen ist. Wer zum Teufel schloss eine solche Tür ab? Mitten auf See? Cathy trommelt wütend, fast verzweifelt gegen die Tür und schreit aus vollem Halse, sie doch hineinzulassen. Nach einigen weiteren Augenblicken lässt sie sich müde mit dem Rücken an der Tür hinabgleiten, ihr ängstlicher Blick ist wieder auf das Meer gerichtet, wo eine tödliche Gefahr jederzeit auftauchen kann.
Sie schlägt mit Faust über ihren Kopf nach hinten gegen die Tür und will so permanent Aufmerksamkeit erregen. Irgendjemand musste doch mal vorbeikommen. Nochmal den ganzen Weg zurück zum Bug laufen, das würde sie nicht tun. Sie konnte sich ja noch an das Gefühl erinnern, als sie dort war. Dort gab es nichts für sie, nur den Weg über das Deck. Im allerschlimmsten Notfall konnte sie zurück in das offene Zimmer, in dem Sergio lag oder zumindest Teile von ihm. Dort konnte man sich auch verschanzen und auf Hilfe warten. Aber das war wirklich nur die letzte Option.
Etwa fünf Minuten später macht die Tür ein klickendes Geräusch. Cathy hat gerade aufgegeben und reibt sich ihre taube und schmerzende Hand, mit der sie die ganze Zeit gegen die Tür gepocht hat. Cathy hört es, will sich sogar aufrichten, aber sie ist nicht schnell genug. Ihre nassen Schuhe rutschen auf der Pfütze unter ihr aus, sie stampelt nur ein-, zweimal ins Leere. Dann öffnet sich die Tür und Cathy fällt sogar rückwärts in die Tür hinein. Sie rappelt sich schnell auf, springt auf die Beine und schon fasst sie jemand am Arm und hilft ihr dabei.
Cathy schaut in das verblüffte Gesicht eines älteren Mannes. Nun, das war sicherlich kein Matrose mehr. Er sah eher aus wie ein Kapitän. Cathy fällt nichts anderes ein, als eine Hand an ihre Schläfe zu legen und auf eine fast fragende Weise zu salutieren. Der Mann flösst ihr sofort Respekt ein.
„Gütiger Gott, was machen Sie denn hier draussen, Miss?" fragt eine schneidende Stimme, die trotzdem in diesem Moment etwas gütiger klingt, als es wohl bei einem normalen Matrosen der Fall gewesen wäre, den er hier in Not vorgefunden hätte.
„Sir...", Cathy keucht leise und holt Luft. „Ich... will nur wieder unter Deck, ich... ich habe mich verlaufen, Sir. Da... da draussen..." Sie zeigt in die Richtung, aus der sie gekommen war. „Da liegt jemand... er ist... tot!" Cathy starrt den Mann an und der nickt nur. Er zieht Cathy endgültig in den Gang und schliesst die Tür wieder, verschliesst sie sogar, was Cathy mit einem verständnislosen Seufzen quittiert. Aber natürlich spricht sie ihren Retter darauf nicht an, nichts sollte ihr momentan egaler sein.
„Mein Name ist Admiral William Halsey. Wie ist ihr Name, Miss?" Der Mann starrt ebenfalls in ihre Augen. Cathy schluckt und sie merkt, dass ihre Stimme leicht zittert, als sie antwortet: „Ich bin Cathy... Cathy O'Donovan." Halsey lächelt, als er das hört. „Eine stolze Irin also." Er nickt anerkennend. Dann zeigt er nach oben. „Ich werde jetzt gebraucht. Die Japs versuchen gerade, mein Schiff zu versenken." Trotz dieses Satzes schien er nicht besonders in Unruhe geraten zu sein. Cathy bewunderte diese Art von Disziplin, oder war es sogar Abgebrühtheit?
„Wissen Sie, wie Sie sich wieder in Sicherheit bringen können? Ach, was sage ich da? Kommen Sie mit!" Er packt Cathy am Arm und zieht sie mit sich mit. Cathy lässt sich ebenfalls nicht lange bitten.
Soundtrack für diese Episode: Django Reinhardt - Minor Swing
Kapitel 4, Episode 5
von Alina am 09.11.2016 03:55„The Big E", Aircraft Carrier USS Enterprise, United States Navy
Rennell Islands, Solomon Islands, Pacific Ocean, 2000 miles northeast from Australia
29th of January, 1943, 1945 MT
Quelle des Bildes
Halsey lässt Cathy los und sagt: „Ab hier müssten Sie sich wieder auskennen, junge Dame. Ansonsten treffen Sie hier meine Männer, die Ihnen gleich weiterhelfen können. Bringen Sie sich in Sicherheit, Miss!" Bei ihm klang es nicht nur besorgt, sondern wie ein Befehl. Wieder salutiert Cathy, diesmal sogar mit einem unsicheren Lächeln und sie sagt: „Jawohl, Sir!" Dann dreht sie sich auf dem Absatz herum und eilt davon. Trotz ihrer Nässe und ihrer Erschöpfung und nicht zu vergessen der Tatsache, dass sie vor einigen Minuten einen Mann hatte sterben sehen, hielt sie sich tapfer und machte einen Eindruck, als würde sie das nicht vollends aus der Fassung bringen können. Was für ein mutiges Mädchen sie war! Halsey schüttelt nur lächelnd mit dem Kopf und macht sich endgültig wieder auf den Weg zurück zur Brücke.
Nach einigen Stunden konnte sich Cathy sicher sein, dass dies hier nun die dritte Schlacht war, an der die Enterprise beteiligt war, seit sie an Bord gegangen war. Das hier war keiner der üblichen kurzen Alarme, bei denen sich die feindlichen Flugzeuge meist gar nicht bis in die Nähe des Schiffes wagten. Das hier war ein wütender Grossangriff der Japaner – später würde man von der 'Schlacht bei Rennell-Island' reden. Die Männer sprachen von zwei Angriffswellen, eine gegen 1900 und eine gegen 1930. Obwohl nun immerhin von Seiten der Japaner Ruhe herrschte, war die Gefahr noch nicht vorbei. Man konnte sich nicht sicher sein, wann die Japaner nochmal zu einem vernichtenden Schlag ausholen würden. Die Schäden am Schiff waren noch nicht alle endgültig dokumentiert, aber insgesamt gesehen hätte es wohl schlimmer kommen können.
Cathy hatte eine Dusche genommen und sich eine neue frische und vor allem trockene Uniform angezogen. Dann hatte sie Bericht erstattet und detailgetreu berichtet, was sie gesehen hatte und vor allem, was Sergio passiert war. Dass sie Sex mit Sergio gehabt hatte, hatte sie natürlich verschwiegen. Nun lag sie mit Shawn, dem jungen und so schüchternen Matrosen auf seiner Koje. Dieser war anfangs sichtlich verwirrt gewesen und trotz Cathys Vorsätzen, dem Jungen nicht zuviel zumuten zu wollen und sich lediglich mit ihm zu unterhalten, hatte sie sich an ihn geschmiegt und Trost bei ihm gesucht. Sergio war nun nicht mehr da, obwohl er wohl besser dazu getaugt hätte, Cathy zu trösten. Oder dieser schneidige Admiral Halsey. Ihr war es egal, sie mochte diesen Jungen gern und sie hatte trotzdem nicht vor, es eskalieren zu lassen.
Es war doch eher unüblich, mit einem Matrosen in einem Gemeinschaftsschlafraum in einer Koje zu liegen. Shawn hatte seine Schicht plus Überstunden hinter sich und hatte sich diese Auszeit verdient. Trotzdem schlief noch ein anderer Matrose schräg hinter ihnen auf der anderen Seite, warum sie sich nur flüsternd unterhielten. Und ein paar Minuten zuvor, war ein anderer Kamerad von Shawn kurz dort gewesen und hatte die Situation natürlich mit einen anzüglichen Spruch kommentiert. Aber das war Cathy egal und auch Shawn schien es gerade weniger zu kümmern. Es war ja offensichtlich, dass es nur Neid sein konnte.
Cathy lag mit dem Rücken halb auf Shawn, sodass ihr Kopf auf seiner Brust lag und er eine Hand seitlich in ihrem Haar platziert hatte. Ihr schulterlanges und lockiges Haar wurde nur mühsam von einem Haarband zusammengehalten. Die Farbe hatte sich auf ihr Tun hin in ein helleres, nur noch mit einem Rotschimmer versehenes Braun verwandelt. Ihre beiden Beinpaare lagen am Ende der Koje nebeneinander, Cathys Füsse übereinandergeschlagen. Shawn krault sie vorsichtig, als wäre sie ein unverhoffter Schatz, den er gefunden hatte oder besser, der ihn gefunden hatte.
Sie hatte etwas Trost gebraucht, etwas Nähe und Wärme. Sie wollte nicht allein sein, vielleicht war das ihre letzte Nacht auf Erden, vielleicht würden sie alle sterben. Vielleicht würden sie morgen um diese Zeit auf dem tiefschwarzen und eiskalten Grund des Pazifiks liegen. Vielleicht würde dieser Ozean, der seinen Namen gerade zu Unrecht trug, morgen das Grab für mehr als zweitausend Mann Besatzung werden. Angesichts dieser Aussichten litt Cathy an keinem falschen Stolz, der sie dazu gebracht hätte, mehr Zeit als nötig allein zu verbringen.
Shawn krault ihren Kopf und Cathy flüstert: „Shawn...? Kennst du eigentlich den Kommandanten des Schiffs?" Shawn überlegt einen Moment, denn diese Frage kommt aus dem Nichts.
„Du meinst Ozzie? Captain Hardison?" Cathy lächelt und antwortet leise: „Nein, ich meine Halsey. Admiral Halsey. Ist er nicht der Kommandant?
Shawn atmet durch, schaut auf Cathy herunter und antwortet: „Nein. Halsey ist Admiral und er befehligt die ganze Flotte hier. Hardison ist der Kapitän des Schiffes, der Enterprise. Wie kommst du darauf?"
„Nur so. Ich... habe mich das gefragt. Ich habe von diesem Halsey gehört und... ich wollte nur mal wissen, wer die Verantwortung dafür hat, dass wir nicht alle sterben werden". Cathy dreht sich auch und sieht in das fragende Gesicht von Shawn. Sie grinst und gibt ihm mit dem Finger einen kleinen Nasenstüber. „Kein Grund, so zu schauen. Vielleicht habe ich ihn vorhin von weitem gesehen. Er sah aus wie ein Admiral." Shawn lässt es dabei bewenden, obwohl er bezweifelt, dass Cathy einen Admiral erkennen würde, wenn sie einen sähe.
„Darf ich bei dir schlafen?" Es war schon nach Mitternacht und Cathys Frage bringt Shawn in Erklärungsnot. „Ich... weiss nicht, Cathy. Das ist keine gute Idee. Die Jungs werden das nicht mögen. Sie werden sowieso schon echt eifersüchtig auf mich sein." Shawns Worte treiben beiden ein Grinsen auf die Lippen. Cathy sieht im tief in die Augen und nickt dann. „Du hast Recht. Du bist so vernünftig, Shawn." Sie haucht die Worte und sorgt so dafür, dass Shawn diese Worte für den Rest seines Lebens bereuen und seine allzu vernünftige Art verfluchen wird.
„Ich gehe gleich... nur noch ein paar Minuten." Cathy schliesst die Augen und atmet tief aus. Shawn krault weiter ihr Haar.
Soundtrack für diese Episode: Benny Goodman - Taking A Chance On Love
Kapitel 4, Episode 6
von Alina am 10.11.2016 14:21„The Big E", Aircraft Carrier USS Enterprise, United States Navy
Rennell Islands, Solomon Islands, Pacific Ocean, 2000 miles northeast from Australia
30th of January, 1943, 0200 MT
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Erst vor ein paar Tagen war sie mit Jules in San Francisco angekommen und hatte sich gerade etwas eingerichtet, da passierte es. Jules hatte achtlos eine Zeitung in der Küche liegen lassen und auf Seite 5, ganz versteckt, fand sie einen kleinen Artikel über eine bundesweite Fahndung. Eine Cathy Hasselmann wurde dort wegen Mordes oder zumindest wegen Verstrickung in einen Mordfall gesucht. Das konnte nicht sein! Sie waren ihr tatsächlich auf den Fersen! Ja, es war die New York Times und man würde sie sicher weniger an der Westküste, als vielmehr an der Ostküste suchen, aber sie war definitiv in Gefahr. Bundesweite Fahndung hiess, dass die lokale Polizei sicher weniger darauf achtete und was kümmerte sie ein Artikel von der Ostküste – aber das FBI war sicher auch eingeschaltet.
Cathy hatte geflucht und sogar einen Teller gegen die Wand geworfen. Als Jules abends nach Hause kam, hatte sie die Scherben allerdings schon wieder beseitigt. Sie traute Jules nicht mehr. Was, wenn es ein Bundesagent war und er so seine Karriere vorantreiben wollte? Beschattung einer Mörderin und Beweise sammeln, um ganz sicherzugehen und nebenbei hatte er noch grossen Spass mit ihr.
Im Bett verstanden sich Cathy und Jules wunderbar. Er hatte französische Wurzeln, man konnte das auch an seiner Nase sehen, aber wie man es den Franzosen nachsagte, wusste er wie man eine Frau glücklich macht. Sie hatten sich erst vor einigen Wochen in Houston kennengelernt und sie schliefen fast jeden Tag miteinander. Jules war wild auf Cathy und ihre erfahrene Art, obwohl sie doch so unschuldig aussah und sie niemals vorher eine Dirne gewesen sein konnte, allein aufgrund ihres Alters. Und Cathy war genauso wild darauf, dass sich Jules mit seiner Euphorie für sie an ihr abreagierte.
Aber das war nun vorbei. Jules lag im Bett und er hatte wohl ein paar seiner inneren Organe erbrochen und dazu literweise Blut, so sah es zumindest aus. Cathy hatte immer wieder durch den Türspalt geschaut, aber Jules hatte sich immer noch bewegt, noch so lange! Vom Bett herunter kam er nicht mehr, Cathy hatte ihn an den Händen und den Füssen ans Bettgestell gefesselt. Sie war selbst neugierig gewesen, ob ein Cocktail aus Schlafmittel und Arsen die beiden gewünschten Wirkungen hervorbringen würde oder ob sich die Droge und das Gift gegenseitig neutralisieren würden. Aber Jules war schläfrig geworden und das Gift hatte dann circa zwei Stunden später gewirkt, als es seine Organe soweit zerfressen hatte, dass er sie flüssig von sich geben musste.
Soviel Blut! Cathy war froh gewesen, dass sie einige Handtücher im Haus gehabt hatte. Sie hatte zwei davon über ihn gelegt, als er sich gerade kurz nicht erbrach. Der Preis war gewesen, dass er ihr kurz in die Augen gesehen hatte. Unverständnis und blanke Panik lagen in seinem Blick. Er sah das nahende Ende bereits, das war Cathy klar. Er musste schreckliche Schmerzen haben und es war ja nicht so, dass es Cathy nicht leid tat. Und so schaute sie ihn auch bedauernd an und zuckte mit den Schultern. „Tut mir leid, Darling", hatte sie geflüstert und die Handtücher dann über sein Gesicht gelegt. Protestieren konnte er dagegen nicht mehr, aber das blubbernde Gurgeln, was aus seinem Rachen kam, hätte man so interpretieren können.
Sie hatte vor einiger Zeit gelesen, dass Arsen so eine diskrete und vornehme Methode wäre. Sogar den perfekten Mord könnte man wohl damit begehen. Die Leute husteten und fielen um. Jedenfalls war es immer in diesen Kriminalromanen so, die Cathy so liebte. Aber das hier sah nicht gerade professionell aus. Niemand würde auf die Idee kommen, dass Jules eines natürlichen Todes gestorben wäre. Man würde eher nach einer Schusswunde oder noch besser, nach einer Wunde suchen, als ob ihn ein Schwert in den Gedärmen stecken würde. Vielleicht war die Dosis zu stark gewesen. Jedenfalls würde sie jetzt in grossen Schwierigkeiten stecken und die Vermieter dieser Wohnung würden sich an Cathy erinnern. Wie lange würde das FBI brauchen, um herauszufinden, dass Cathy Hasselmann nun endlich an der Westküste angekommen war? Wie lange würden sie brauchen, um Querverbindungen zu ziehen?
Sie musste weg, aber wohin? In den Norden? Nach Kanada vielleicht, aber war es dort nicht schrecklich kalt? Oder nach Süden! Nach Hollywood hatte sie eh immer gewollt, aber das Schicksal hatte sie erst zu Jules und dann eben nach San Francisco geführt. Jetzt, als sie Jules dort in dieser riesigen Pfütze liegen sah, kam ihr Hollywood nicht weit genug entfernt vor.
Oder sie würde nach Mexiko gehen. Allerdings war es dort wieder zu heiss und sie würde dort schrecklich auffallen mit ihrem Haar und ihrer hellen Haut. Das war sicherlich keine gute Idee.
In den kommenden drei Wochen wohnte sie in einer kleinen Pension in der Half Moon Bay, südlich von San Francisco. Sie hatte sich einen kleinen Wagen besorgt und fuhr in die Stadt, wenn es etwas zu besorgen gab. Sie fand in einer zwielichtigen Bar die richtigen Leute, bezahlte Unsummen für einen gefälschten neuen Pass auf den Namen Cathy O'Donovan und fasste dann den Entschluss, das Festland für eine Weile zu verlassen. Die Fahrt mit der 'President Grant' nach Hawaii kam ihr gerade recht. Pearl Harbour, das hörte sich gut an. Dort würde sie einige Monate Dienst verrichten und wenn der Krieg vorbei wäre, würde sie nach Hollywood gehen. Vielleicht würde sie sogar auf einem Schiff gebraucht! Es würde sehr aufregend werden und vielleicht würde sie sehen, wie ein japanisches Schiff unterging! Der Krieg, die wachsende Euphorie nach dem vernichtenden Schlag auf Pearl Harbour, die Siegesgewissheit der Nation und ihr stetig wachsender Patriotismus, das alles beeindruckte Cathy sehr. Auf eine gewisse subtile Art war es sogar erregend. Diese riesigen Schiffe, die im Hafen vor Anker lagen; Flugzeuge, die im Himmel umherflogen und das endlose Meer... dort musste es absolute Freiheit für sie geben!
Cathy schläft so tief, dass Shawn es nicht wagt, sich zu rühren oder sie zu wecken. Er selbst bekommt kein Auge zu. Morgen würde es Ärger geben, wegen Cathy. Niemand würde etwas sagen, wenn ein Mädchen eine Stunde zu Besuch war, aber dass sie hier schlief, das war ziemlich rücksichtslos seinen Kameraden gegenüber. Und nun würde er den Ärger bekommen, ohne sie überhaupt unsittlich berührt zu haben. Was für eine dumme Situation war das nur...
Soundtrack für diese Episode: Louis Jordan - You Run Your Mouth And I'll Run My Business
Kapitel 4, Episode 7
von Alina am 11.11.2016 17:04„The Big E", Aircraft Carrier USS Enterprise, United States Navy
Rennell Islands, Solomon Islands, Pacific Ocean, 2000 miles northeast from Australia
30th of January, 1943, 2100 MT
Quelle des Bildes
Am späten Abend war es für alle an Bord schreckliche Gewissheit. Die USS Chicago war versenkt worden. Captain Osborne Bennett Hardison hatte es bestätigt. Die Besatzung hatte wohl zum grössten Teil vorher evakuiert werden können, aber trotzdem war es ein furchtbarer Verlust. Viele kannten Leute, die ihren Dienst auf der USS Chicago verrichtet hatten und um jeden einzelnen sorgte man sich nun und bangte, dass er nicht unter den Opfern war.
Schon am Vorabend war die USS Chicago so schwer beschädigt worden, dass sie von der USS Louisville in Schlepp genommen werden musste. Und am Nachmittag nun war sie dann endgültig versenkt worden. Ausserdem war die USS La Valette bei diesem Angriff ebenfalls schwer getroffen worden. Nach den vielen militärischen Erfolgen der US Navy, die auch nicht wegzudiskutieren waren, hatten Japan gezeigt, dass noch immer mit ihnen zu rechnen war. Diese gelben Teufel...!
Die Schäden an Bord des Flugzeugträgers waren zwar nicht gering, aber das Schiff musste nicht dringend einen Hafen anlaufen. Einige Flugzeuge waren zerstört worden, aber das Schiff war mehr oder weniger intakt. Der Angriff auf die USS Enterprise, der Verlust der USS Chicago und die Beschädigung der USS La Valette: dies alles machte jedem einzelnen Matrosen an Bord, auch Cathy, bewusst, an welch seidenem Faden ihr Leben hier draussen hing. Jeden Tag konnte es vorbei sein. Die Japaner waren nicht zu unterschätzen, erst recht nicht jetzt.
Cathy war morgens aufgewacht und hatte mit einer Stunde Verspätung ihren Dienst angetreten. Komischerweise hatte es aber keinen Ärger gegeben, was sie sehr verwundert hatte. Ob Shawn wie befüchtet Ärger wegen ihr bekam, wusste sie nicht. Sie hatte acht Stunden geputzt und hatte sogar auf dem Deck geholfen, kleine und kleinste Trümmerteile zu beseitigen. Aber dieses Mal war ihr nicht wohl dabei gewesen, an der frischen Luft zu sein. Sie arbeitete stillschweigend eine Stunde länger, als ihr Dienst es vorsah, zog sich dann zurück und legte sich früh schlafen.
Am Morgen des 31. Januars, während des Dienstes unter Deck, kommt ein Mann zu ihr. Er sieht wie ein Angestellter aus, wenn es so etwas hier überhaupt gibt. Er trägt zwar keine zivile Kleidung, aber er sieht überraschend leger aus. Er bittet Cathy, ihm zu folgen. Cathy schaut kurz in Richtung des Kochs, der ebenfalls in der Kombüse steht und dem sie unterstellt ist. Der nickt nur.
Es ist das erste Mal, dass Cathy in die Nähe der Brücke kommt. Alles wirkt hier sehr viel sauberer, vornehmer. Die Wände der Gänge sind mit Holz beschlagen. Es riecht auch nicht so schlecht wie in den anderen Gängen. Cathy wird gebeten, in einem Raum zu warten und Platz zu nehmen. Das tut sie und sie sitzt auf einem einfachen Stuhl, vor ihr ein Schreibtisch mit einem bequemen Sessel dahinter. Das ist sicher das Arbeitsbüro eines Kapitäns oder eines anderen ranghohen Offiziers. Cathy wurde mulmig zumute. Was wollten diese Männer von ihr? Hatte man sie erkannt? Hatten sie jetzt nicht andere Probleme, mit den Japanern vielleicht?
Die Tür öffnet sich und Admiral Halsey betritt den Raum. Er schmunzelt schon, als er Cathy sieht und diese erwidert seinen Gruss mit einem unsicheren Lächeln.
„Miss O'Donovan..." Halsey lässt den Namen im Raum verklingen und sieht Cathy neugierig an. Er schaut auf eine Liste und blickt dann wieder auf.
„Ich muss mich entschuldigen, ich habe nur eine Minute. Wie Sie sich sicher denken können, haben wir genug zu tun." Cathy nickt nur heftig, sie wundert sich, dass er überhaupt diese Minute erübrigen kann.
„Der Verlust der USS Chicago ist ein schwerer Schlag für meine Flotte, aber ich muss an die Moral meiner Truppen denken. Wie ich hörte, mussten Sie den Tod eines Mannes, Sergio Garcia, ansehen und waren selbst einen Angriff ausgesetzt." Cathy nickt wieder, diesmal vorsichtig.
„Sie sind eine kleine Heldin, Miss! Trotz dieser scheusslichen Sache dienen Sie weiter unter meinem Kommando, treten Sie weiterhin Ihren Dienst an und machen kein Drama daraus und das als Frau! Die Vereinigten Staaten von Amerika sind stolz auf Sie, mein Kind!" Cathy blickt den Admiral ungläubig an.
„Ausserdem sind Sie ein süsses Ding, Sie würden sich gut auf einem dieser Plakate machen, die Sie sicher auch schon gesehen haben. Wissen Sie, was ich meine?"
Cathy denkt nach und ihr fallen natürlich die gezeichneten Plakate ein, die Frauen für den Dienst im Krieg werben sollen. Sie selbst hatte sich ja aufgrund eines solchen Plakates zum Dienst gemeldet.
„Ich mache eine Heldin aus Ihnen. Sie werden mir noch dankbar sein. So, jetzt muss ich weiter. Mein Land braucht mich! Bleiben Sie hier sitzen, es kommt gleich jemand zu Ihnen."
Halsey kommt zu Cathy, die mittlerweile rot angelaufen ist und gar nicht so glücklich aussieht, wie man es nach solchen Worten erwarten würde. Er packt ihre Hand und schüttelt sie. „Tapferes, kleines Ding." Er lacht, wischt Cathy mit einer oberflächlichen Bewegung seiner Hand über ihr Haar und verlässt dann schnell wieder den Raum.
Cathy sitzt dort wie vom Donner gerührt. Was sollte das? Sie, eine Heldin? Das konnte nur ein schlechter Scherz sein. Sie war alles, aber sicher keine Heldin! Und sie dachte sofort daran, was das hier bedeutete und den Ärger, den es mit sich brachte. Dies hier, sollte es kein Scherz sein, bedeutete Aufmerksamkeit und das konnte sie gar nicht gebrauchen!
Soundtrack für diese Episode: Django Reinhardt - Vendredi